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ROBERT INDIANA

Museum Kurhaus Kleve



Robert Indiana verspeist einen Pilz, Andy Warhol filmte die Aktion. "Eat", der Schwarz-Weiß-Film aus dem Jahr 1964, entstand in Indianas Atelier am Coenties Slip in Manhattan und zeigt Robert Indiana neununddreißig Minuten lang, wie er mit wachen Augen und konzentrierter, routiniert wirkender Gelassenheit einen Pilz isst und dabei die Umgebung blickmäßig abschreitet. Von ihr, der Umgebung, wird nichts gezeigt. Auch ist nicht erkennbar, ob dem Speisenden der Pilz mundet. Das ist auch gar nicht wichtig, entscheidend ist vielmehr der konstante Blick auf eine mehr oder weniger schematische Handlung. Ähnliche Warhol-Filme wie "Sleep" oder "Empire State Building" untersuchen in einer handlungsarmen Minimalismuspräsenz Ausdauer und Toleranzbereitschaft der Zuseher. Insofern passt der Film zum Gesamtbild sowohl der Künstler Robert Indiana und Andy Warhol wie zur Pop Art im Allgemeinen. Das Museum Kurhaus Kleve zeigt nach gut vierzig Jahren zum ersten Mal wieder eine retrospektiv angelegte Schau mit Werken des amerikanischsten Pop Art-Künstlers aus der Zeit zwischen 1960 und 1980. Plakate, Bücher, Briefmarken, Druckgraphik und, als Schwerpunkt, das in vielen Motiven dargestellte Buchstabenwerk LOVE zeigen Robert Indianas Schrift- und Zeichenkunst.

In der amerikanischen Pop Art der sechziger Jahre spielte der amerikanische Traum eine zentrale Rolle. Auch Robert Indiana, der 1928 als Robert Clark in New Castle/Indiana geboren wurde, in eine Familie hinein, die von der Großen Depression hart getroffen war, dieser Robert Indiana befand sich zwar mitten drin im amerikanischen Traum, sein Standort war jedoch der Außenbezirk, da, wo die am Rande der Gesellschaft Lebenden kurz vor dem Absturz stehen. Dieser amerikanische Traum ist der Schlüsselbegriff zum Werk Indianas, der nach seinen Studien an der School of the Art Institute of Chicago 1949 und Sommerkurse an der Skowhegan School of Painting and Sculpture in Maine 1953 seine Anerkennung als Maler durch das Bild "The American Dream #1" – im Jahre 1961 vom Museum of Modern Art, New York, erworben – fand. Das plakative Produkt "beruht auf einer abstrakten Komposition mit dem Titel 'Agadir', die Indiana noch gegen Ende der 1950er Jahre begonnen hatte und ist insofern ein weiteres Zeugnis des Übergangs vom Maler geometrisch-stilisierter Formen zum amerikanischen Maler der Zeichen." (Roland Mönig im Ausstellungskatalog) Dieses erste einer Reihe von Zahlenbildern ernährt seine Existenz durch eine formale, mathematisch-geometrische Größe, deren Wirkung aus Farbe und Gestalt, aus Flächen, Kreise, Sterne und Zahlen, Buchstaben und Wörter entsteht. Der philosophische Hintergrund des Bildes war alles andere als heroisch oder typisch amerikanisch, er war weit weg vom Versprechen von Glück, Wohlstand und Freiheit. Robert Indiana verstand die plakative Zurschaustellung des amerikanischen Traumes als dessen radikales Gegenteil. Sein Kommentar zu diesem Bild drückt Enttäuschung und Abkehr aus: "Der amerikanische Traum war schlicht und einfach zerbrochen. Für uns und für viele andere in Amerika hatte er keine Gültigkeit mehr."

Der amerikanische Traum also nur eine Zahl, eine Nummer, ein Detail eines Spaß und Gewinn versprechenden Flipperautomaten (wie die Wörter "Take all" und "Tilt" suggerieren)? In der Summe der Werke von Robert Indiana erschließt sich erst sein skeptischer Blick auf den Mythos Amerikas. Also eins und zwei und drei und vier und fünf und sechs und sieben und acht und neun und null addieren, das Resultat sind nicht nur die Siebdruckreihen "Numbers" und "Decade", es sind auch Indianas biographische Erinnerungsfetzen. "Meine intensive Beschäftigung mit Zahlen, das erste Mal, dass ich sie bewusst wahrnahm, hat mit der Tatsache zu tun, dass ich in 21 verschiedenen Häusern gelebt habe, bevor ich 17 Jahre alt war, und als Kind war es ein toller Zeitvertreib, durch die Landschaft zu fahren und diese unterschiedlichen Häuser zu besuchen und zurück zu gehen zu Haus Nummer 1 und Haus Nummer 2. Das ist die erste wichtige Verbindung."

Nicht weniger wichtig das bekannteste, unzählige Male abgebildete "LOVE" mit dem aus dem Liebes-Rahmen kippenden "O", das aber nicht heraus fällt sondern in schräger, nach rechts oben zeigender Haltung so eben noch Balance hält. Es wimmelt denn auch in der ersten Etage des Museums Kurhaus nur so von LOVE-Arbeiten in verschiedensten Formen, Farben, Größen, Materialien – sogar zum Durchgucken bei einer Aluminiumskulptur. Vier Buchstaben, ein Wort, eine Botschaft, ein Kunststil – die Pop Art besitzt seit mehr als vierzig Jahren ein ins Auge fallende Schlagwort, das untrennbar mit dem Namen Robert Indiana verbunden ist. In der Wandelhalle des Museums erscheint das Motiv gleich sechsmal: großformatige Wandteppiche, die LOVE in verschiedenen Farbkonstellationen als Jahreszeitenliebe variieren: spring love, summer love, fall love, winter love. Diese Serie ist im Museum Kurhaus erstmals zu sehen und demonstriert, wie Pop Art nicht nur auf Papier oder Leinwand existiert, sondern auch in anderer Form und ungewöhnlichen Materialien. In der Pinakothek, wo die großformatigen Zahlenbilder hängen, scheint ein Objekt aus dem Indiana-Rahmen zu fallen: "Zig" aus dem Jahr 1960, eine frühe Plastik aus der so genannten Werkgruppe der "Herms". Diese mannshohen Konstrukte kommen den Ready Mades sehr nahe: Indiana verarbeitete kurzerhand alles, was er im Atelier und in der Nachbarschaft fand: Assemblagen aus Rädern, Holzbalken, Eisen, Draht. Das war noch nicht Pop Art, aber der Weg dahin öffnete sich am Horizont.

Auf die Frage, ob er, Indiana, Pop sei, antwortete er 1963: "Es gibt zwei Arten von Pop: entweder Pop des harten Inneren ('hard-core') oder Pop der harten Kanten ('hard-edge'). Ich bin Pop der harten Kanten." Mit den harten Kanten, nämlich die der Straßenschilder, Verkehrszeichen und Reklametafeln charakterisiert Robert Indiana sein Werk, über das Robert Mönig schreibt: "Es sind die scharfen Umrisse der monumentalen Buchstaben und Zahlen auf diesen anonymen Tafeln, umgesetzt in klaren, leuchtenden Farben, die Lesbarkeit selbst auf große Distanz garantieren, die sich dem Auge aufdrängen und sich in den Geist einbrennen."
Bis 06.01.2008, Museum Kurhaus Kleve, Tiergartenstraße 41, 47533 Kleve. Geöffnet di + so 11-17 Uhr. Eintritt: 5/3 Euro. Katalog 24,50 Euro
Weitere Infos: www.museumkurhaus.de


November 2007
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