
Gebaute Räume als persönliche und geschichtliche Erfahrungsräume bilden den Arbeitsschwerpunkt von Gregor Schneider. Für die Bonner Bundeskunsthalle hat der aus Rheydt stammende Künstler einen herausfordernden Ausstellungsparcour entworfen, der die wichtigsten Werke aus rund 30 Jahren Schaffenszeit versammelt.
0ben: u r 10, (with inventory) Kaffeezimmer „Wir sitzen, trinken Kaffee und schauen einfach aus dem Fenster“ Rheydt 1993, © Gregor Schneider / VG Bild-Kunst, Bonn 2016Unten: Bondi Beach, 21 Beach Cells Kaldor Art Projects, Bondi Beach Sydney 2007, © Gregor Schneider / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Herausfordernd intensiv sind Schneiders Werke, die teilweise als Provokation verstanden und entsprechend kontrovers diskutiert wurden. Vorneweg lässt sich beispielhaft die Kontroverse um den 2008 veröffentlichten Sterberaum nennen. Seine Idee war es, im Sterberaum eine Person zu zeigen, die eines natürlichen Todes stirbt oder gerade eines natürlichen Todes gestorben ist. Bei Medien und Politikern löste dieses Ansinnen einen Sturm der Entrüstung aus. „Künstler will Menschen sterben lassen“ titelten die Zeitungen und Politiker aus den unterschiedlichsten politischen Lagern warfen ihm Missbrauch künstlerischer Freiheit vor.
Der vermeintliche Tabubruch sowie der Aufschrei in der öffentlichen Meinung zeigen, wie schmerzhaft präzise Gregor Schneider den Finger in die Wunden unseres kollektiven Unterbewussten legt. Tabus und Ängste, bis hin zum körperlichen Unwohlsein, werden in seinen Arbeiten erfahrbar. Er selbst erklärt diese in seiner fühlbaren Intensität radikale künstlerische Praxis wie folgt: „Erfahrungen wenden sich an alle Sinne und beruhen auf einer unfassbaren Welt.“ Vollzogen wird die Erfahrung im zu erlebenden Raum, der durch seine physikalischen Wände definiert wird: Wohnräume, Flure, begehbare Skulpturen oder künstliche Parzellen.
Prototypisch und am bekanntesten ist sicherlich seine Arbeit an dem Haus an der Unterheydener Straße 12 in Rheydt, dem Haus u r. 1985 begann Gregor Schneider damit, das Mehrfamilienhaus in seiner räumlichen Struktur aufwändig umzuarbeiten: Es wurden Wände vor Wände gesetzt, Räume in Räumen geschaffen, zusätzliche Decken und Böden hineingebaut. Durch Vervielfältigung und Verschachtelung wurden Räume teilweise unzugänglich gemacht, Elemente durch Motoren in eine kaum wahrnehmbare Bewegung versetzt, die eine unheimliche sukzessive Veränderung der vorhandenen Räume verursachten.
