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BOHREN & DER CLUB OF GORE

Schluss mit lustig

BOHREN & DER CLUB OF GORE

Die Überschrift zum vorigen Interview mit Bohren aus Mülheim / Ruhr und Köln anlässlich des letzten Albums „Black Earth“ aus dem Jahr 2002 lautete „The true spirit of independence“. Wenn das Quartett nicht an dieser Bandmaxime festhalten würde, könnte man jetzt nicht nur in den Genuss des fünften Longplayers namens „Geisterfaust“ kommen, sondern auch den Korn zur Platte erstehen.

Denn ursprünglich wollten Morten, Christoph, Robin und Thorsten zum neuen Werk was Selbstgebranntes anbieten und so ziert dann auch das Cover die freundliche Darstellung einer Enzianblüte. Doch der Dschungel der Formalitäten war derart undurchdringlich, dass die Jungs das Projekt ohne Sponsor vergessen konnten. In die lange Reihe der von Spirituosenherstellern unterstützten Bands wollte man sich aber auf keinen Fall einreihen, und so sitzen wir weiter auf dem Trockenen.
Auch wenn es nun keinen Geisterfaustschnaps gibt, ist aus dem Bohren-Headquarter doch eine Menge Neues zu berichten. Im 13. Jahr bewegen sich Bohren immer noch fast unmerklich, aber doch unaufhaltsam, auf das musikalische Schwarze Loch zu, das letztendlich eines Tages die Band unwiederbringlich in ihrem eigenen Kosmos einschließen wird. Von der anfänglichen Klangästhetik eines Chris Isaak im Wachkoma auf ihrem ersten Album „Gore Motel“ ist auf „Geisterfaust“ nichts mehr übrig. Auch die bekannten Besetzungsmuster greifen nicht mehr. Waren Bohren bisher eine Band aus Bass, Schlagzeug, Keyboard und Saxophon, kann man heute fast nicht mehr sagen, woraus ihr sehr eigener Sound eigentlich besteht. Das Saxophon, das die letzten beiden Alben prägte, ist bis auf ein Stück verschwunden und das Schlagzeug hält sich auch sehr im Hintergrund. Ein Indiz für eine neue Rollenverteilung, denn auf „Geisterfaust“ hat der Kölner Christoph Clöser die meisten Instrumente eingespielt – einfach, weil er der beste Musiker ist. So finden sich neben dem charakteristischen Besen-Beat und dem ultratiefen Kontrabass nun der achtsaitige Bass von Morten (den spielen auch Manowar!), Piano und Vibraphon. Zusätzlich gab es noch Unterstützung durch Tuba und den Frauenchor ‚Die Salatschleudern’ aus Düsseldorf.
Aber keine Sorge, man merkt von all dem nichts. Überhaupt sind Bohren der offensichtlich angestrebten Nulllinie einen großen Schritt näher gekommen. Die Unterschiedlichkeit der Stücke auf „Black Earth“ ist einer monotonen Ähnlichkeit gewichen. Geschwindigkeiten können fast gar nicht mehr gemessen werden, das meiste an Bohrens Musik besteht aus Atmosphäre.
„Wir wollten auf der neuen Platte auf jeden Fall alles vermeiden, was düster wirken könnte. Deshalb haben wir auch kein dunkles Cover gemacht und auch alle Sounds verzichtet, die irgendwie düster klingen könnten. In unserer kleinen Welt haben wir mit „Geisterfaust“ eine richtig schöne Platte aufgenommen. Sie strahlt so eine luxuriöse Langeweile aus.“

Aussagen von derartiger Banalität sind angesichts der emotionalen Intensität der neuen Stücke schon wieder symptomatisch. Denn tatsächlich fällt es schwer, auf Stücken wie „Ringfinger“, „Mittelfinger“ oder „Zeigefinger“ eine Spur von Hoffnung zu erkennen. Die Musik von Bohren besteht heute nur noch aus Zustandsbeschreibungen, bei denen man weder einen Anfang, noch ein Ende erkennen kann. Was auch nahe liegt, wenn man bedenkt, dass die Band eigentlich nur ein einziges Monsterstück aufnehmen wollte. Die Manifestationen von Agonie sind einem seismischen Gespür für kleinste Erschütterungen gewichen. So muss es sein, wenn während einer Operation zu wenig Narkotikum gespritzt wurde, das Schmerzzentrum durch Opiate ausgeschaltet ist und die Muskelrelaxation jegliche Reaktion unmöglich macht.

Aktuelles Album „Geisterfaust“ (Wonder/Indigo)

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