Berlin Schöneberg im Mai 2004. Im Büro des Filmemachers Rolf S. Wolkenstein gehen seltsame Dinge vor sich. Man sitzt um ein klobiges Gerät, das für das heutige Verständnis von Unterhaltungselektronik einen eher prähistorischen Eindruck macht. Drei Paar Augen starren in das geheimnisvolle Innere des Dings, das gleich einer Zeitmaschine den Sprung direkt in das West Berlin der Jahre 1978 – 1984 ermöglichen soll. Es handelt sich um einen Super 8 Projektor.
Zum Glück hat Wolkenstein das Handbuch des Dinosauriers gefunden und so kann schrittweise mit der Inbetriebnahme begonnen werden. Erwartungsgemäß tun sich bald die ersten Hürden auf, denn mehr als 20 Jahre Nichtbenutzung führen zu so mancher Materialermüdung. Nach vielen Stunden im Spannungsfeld von hoffnungsloser Frustration und verzweifelten Durchhalteparolen ist der ersehnte Moment Realität: an der Wand ist der Super 8 Film „Heiraten“ von Ika Schier aus dem Jahr 1981 ist zu sehen.Der erste Schritt ist getan. Doch es warten noch 17 weitere Filme des West Berliner Untergrunds darauf, der Mottenkiste entrissen, restauriert, repariert oder re-editiert zu werden. Das Ergebnis dieses geradezu archäologischen Projektes haben die Berliner von Monitorpop auf ihrer DVD „Berlin Super 80“ dokumentiert. Verwackelte, und unscharfe Impressionen der West Berliner Super 8 Avantgarde zur Blütezeit des Punk und New Wave. Selbst ernannte „geniale Dilletanten“ wie der jugendliche Jörg Buttgereit oder Beatles-Fan Klaus Beyer zelebrieren hier zur Musik der Tödlichen Doris, Einstürzenden Neubauten oder Malaria eine Kunstform, die beweist, dass Genie und Wahnsinn dicht beieinander liegen.
Mit dieser Bilderflut wird man zum Glück nicht allein gelassen. Eine Audio CD hört direkt in die Kreuzberger Clubs der Christiane F. Das war die Szene, in der Westbam mit seiner Münsteraner Band Kriegsschauplatz Tempodrom das erste Mal vor über tausend Leuten spielte und der heutige Dr. Motte mit Deutsch-Polnische Aggression seine Helden DAF verehrte. Das war die Szene, in der sich die Anfänge von Techno entwickelten. Zusätzlich enthält die Box noch ein Buch mit Texten zu den Filmen und den Bands, Flyern und Fotos und einem Interview mit Wolfgang Müller von Die Tödliche Doris.
Man darf gespannt sein, wie der Gegenentwurf von Alfred Hilsberg aussehen wird, der anlässlich des anstehenden Zick Zack Jubiläums ein Ost-Punk-Kompendium plant.