Ruarri Joseph ist ein Künstler, der gerne abseits des ausgetrampelten Pfades unterwegs ist. Auf ´Excuse Me While I Vanish´, dem inzwischen vierten Album seines Indie-Rock-Trios William The Conqueror, macht sich der Brite wuchtigen Grunge, leidenschaftlichen Swamp Blues und althergebrachte Singer/Songwriter-Tugenden mit viel Dynamik zu eigen und klingt dabei gerade in Zeiten, in denen die Songs anderer Künstlerinnen und Künstler immer stromlinienförmiger erscheinen, erfreulich unkalkuliert.
Der Maxime, anders als die anderen sein zu wollen, folgt der in Schottland geborene, aber seit vielen Jahren mit seiner Familie im englischen Cornwall lebende Musiker mit Leib und Seele. Seiner durchaus erfolgreichen, gleich mit einem Majorlabel-Deal begonnenen Karriere als Solo-Folkie unter eigenem Namen kehrte er vor einem Jahrzehnt den Rücken, weil er sich selbst nicht mehr mit seiner eigenen Musik identifizieren konnte, und spürt seitdem mit William The Conqueror vor allem den Dingen nach, die ihn von anderen abheben, anstatt die Gemeinsamkeiten mit anderen Acts hervorzuheben. Trotzdem stellt ´Excuse Me While I Vasnish´ eine kleine Zäsur dar, denn nach einer Album-Trilogie, mit der er seine ersten 20 Jahre Revue passieren ließ, fand er, inzwischen 40, für die neue LP einen anderen Ansatz.„Es waren zwar wieder 20 Jahre, aber sie fühlten sich irgendwie anders an“, gesteht Ruarri im Westzeit-Interview. „Die ersten 20 Jahre drehen sich um ein Gefühl der Unschuld, eine gewisse Desillusion, das Erwachsenwerden und darum, Vater zu werden. In den letzten zwei Jahrzehnten dagegen ging es für mich darum, Vater und Ehemann zu sein und sich in der großen, bösen Welt zu bewegen und dabei festzustellen, wie verkorkst alles ist. Ich wollte allerdings keine weitere chronologische Geschichte erzählen. Ich dachte mir, dass es doch viel interessanter sei, das Album so zu schreiben, als sei das alles meinem Alter Ego William widerfahren. Ich wollte seine Sicht der Dinge beschreiben, nicht meine eigene."
Trotz der Freigeistigkeit, mit der Ruarri auch auf dem neuen Album die Grenzen zwischen Kreativität und Wahnsinn auslotet, hat er doch ein Faible für konzeptionelles Arbeiten und klar abgesteckte Grenzen, wie bereits die Album-Trilogie mit ´Proud Disturber Of The Peace´ (2017), ´Bleeding On The Soundtrack´ (2019) und ´Maverick Thinker´ (2021) bewiesen hat.
„Es fällt mir schlichtweg nicht leicht, über wahllose Themen zu schreiben, die ich dann unter einen Hut bringen muss. Ich mag es, einen thematischen Bogen zu haben“, verrät er. „In gewisser Weise zwänge ich mich damit tatsächlich in eine Schublade, aber nur für einen kurzen Moment! Auf der Universität habe ich Film studiert, weil ich ursprünglich Regisseur werden wollte, und genau so nähere ich mich auch meiner Musik: Ich mag es, einen Anfang, eine Mitte und ein Ende zu haben, selbst dann, wenn sie nur als grober Rahmen dienen."
Obwohl Ruarri die Lieder für das neue Werk in der Isolation der Pandemie geschrieben hat und deshalb anders als zuvor nicht schon im früheren Stadium ihres Entstehens auf den Input der anderen Bandmitglieder, Bassistin Naomi Holmes und Schlagzeuger Harry Harding, zurückgreifen konnte, klingt ´Excuse Me While I Vanish´ nicht nur zugänglicher, sondern auch wie das Werk einer echten Band. So paradox, wie das im ersten Moment erscheint, ist das für Ruarri allerdings nicht.
„Ich habe mir dieses Mal beim Schreiben wirklich Mühe gegeben, mir vorzustellen, was die anderen zwei den Songs wohl hinzufügen könnten“, erinnert er sich. „Die ersten drei Alben haben uns realisieren lassen, was unsere Stärken sind, und als wir dann ins Studio gegangen sind, um die neuen Lieder einzuspielen, haben wir all diese Stärken betont. Ich freue mich sehr zu hören, dass es die Platte wie ein Bandalbum klingt, denn eine echte Band zu haben, war immer mein Ziel. COVID hat uns da einige Knüppel zwischen die Beine geworfen, aber letztlich hat uns das als Band nur noch enger zusammengeschweißt.“
Tatsächlich klingen William The Conqueror auf der neuen LP herrlich spielfreudig und wechseln nicht nur zwischen den einzelnen Liedern, sondern bisweilen sogar innerhalb der Songs Stimmung und Sound.
„Ich denke, das hat mit der Chemie in der Band und viel auch mit Instinkt zu tun“, sagt Ruarri. „Wenn sich etwas richtig anfühlt, dann verfolgst du es weiter! Das führt dazu, dass du dich nicht einengen lässt und zum Beispiel nie denkst: ‚Oh, Mist, jetzt läuft der Song schon eine Minute und er hatte noch keinen Refrain! Der muss nun aber bald mal kommen!‘ Stattdessen folgst du einfach dem roten Faden deiner Idee und schaust, wo dich das hinführt!"
Aktuelles Album: Excuse Me While I Vanish (Chrysalis / Cargo)
Weitere Infos: www.williamtheconqueror.net Foto: WeTheDee