Der Album-Trilogie aus ´Nostalgie für die Zukunft´, ´Weißes Rauschen´ und ´III´ folgt nun eine druckvoll-knackig und live eingespielte Scheibe mit allen Hits, die noch einmal zusammenfasst, worum es dem Kieler Songwriter geht: Seinen ureigenen Entwurf von Rockmusik weiter zu hegen, zu pflegen und stets in Bestform zu präsentieren. Aber diese Platte ist mehr als eine einfach schöne Momentaufnahme, wie Erik im Interview verriet...
Dieses Album wurde live im Studio aufgenommen – was Du schon einmal mit Smoke Blow getan hast. Was spricht für diese Arbeitsweise und gegen ein Live-Album, das auf Tour entsteht und emotional für alle Beteiligten womöglich noch eine Stufe weiter geht?„Ich verstehe den Einwurf, aber in meiner Position als kleiner Club-Künstler ist es nicht so einfach, den passenden Rahmen für einen Mitschnitt zu bestimmen. Du kannst im Vorfeld auch schwer ausmachen, welche Art Energie der fragliche Abend bereit halten wird. Wenn wir alles auf ein bestimmtes Konzert fokussierten, das in der Nachbetrachtung dann ´nur´ ein guter Abend war, auf dem wir uns in guter Form präsentierten und mit 200-300 Leuten eine schöne Zeit hatten, bleibt die Frage, ob ich überhaupt den Schritt wagen kann, eine physische Veröffentlichung in Betracht zu ziehen. Ein weiterer Punkt ist, dass mir persönlich viele Live-Mitschnitte der jüngeren Vergangenheit nicht gerade im Gedächtnis geblieben sind. Ich drücke allgemein nur wenige Live-Platten regelmäßiger in den Player. Mit dem gewählten Ansatz möchte ich mich möglichst ein wenig vom Standard-Mitschnitt abheben. Ein weiterer Aspekt ist, dass ich im Sinne aller eine klangliche Qualität sichern will, ohne dabei die originale Live-Energie der Songs zu vernachlässigen. Daher sind wir nach einem abendlichen Soundcheck tags drauf ins Studio und haben aus dem Bauch so drauf los gespielt, wie wir es auf der ´echten´ Bühne tun würden.“
Die Interaktion mit dem Publikum, die Reaktion der Leute ist ja eigentlich etwas, das für viele Musiker ein Konzert ausmacht. Für andere ist es wiederum einzig die Energie, die beim Live-Spielen entsteht – und das geht ja auch ohne Publikum. Ist letzteres bei dir der Fall?
„Natürlich spielen wir unsere Konzerte in erster Linie für die Leute und setzen auf Energie-Austausch und eine sich kontinuierlich aufbauende Atmosphäre. Dass hierbei auch die Kraft, die sich über das interne Zusammenspiel entwickelt, Einfluss nimmt, ist natürlich klar und nicht weniger wichtig. In Bezug auf ´Live aus der Vergangenheit´ zählte jedoch ausschließlich, unsere Live-Power authentisch und direkt auf Tonträger zu transportieren. Das Album stellt ein live eingespieltes Best-Of-Mixtape dar, das hoffentlich auch in ein paar Jahren noch in voller Länge zündet. Die Platte soll inhaltlich einen echten Wert sowohl für Fans unserer Konzerte haben und dazu unser Kernrepertoire auch Menschen näher bringen, die uns vielleicht noch gar nicht kennen oder nicht unbedingt als kantige Rock-formation auf dem Schirm haben. Sie ersetzt natürlich keinen Konzert-Besuch, spiegelt aber hoffentlich dennoch sehr gut wider, was wir sind.“
Man kann die Spielfreude bei vielen Songs wirklich hören – warum kann das nicht das Aufnahme-Rezept für “reguläre“ Alben sein?
„Das freut mich wirklich sehr, danke. Denn genauso sollte es sein und wir wollten das Gefühl unserer Freude an den Songs und der Lust, sie live zu spielen so gut wie möglich einfangen und dann auf Tonkonserve den Leuten übergeben. Man kann es sicher auch im Rahmen der Arbeiten an einem "normalen" Studio-Albums ähnlich handhaben, braucht aber die richtige Platte dafür. Die Entstehung der ´III´ kommt dem wohl am nächsten, da wir hier eine möglichst gradlinige und ´bauchige´ Rockplatte liefern wollten. Der Arbeitsprozess an den Vorgänger-Alben war ausufernder und anstrengender. Hier war es eine Aufgabe für sich, die Songs bei aller Kopfarbeit richtig schön rund laufen zu lassen. Die Belohnung in Form von Spaß, die Stücke auf die Bühne zu bringen, die gab’s dann später. Und es ist schön, sich nun auch nochmal auf Platte auszutoben.“
Inwiefern haben die Fans einen Einfluss auf die Setlist des Albums gehabt? Sind das allesamt die Fan-Favoriten?
„Die Auswahl der Songs hat sich ganz organisch von selbst ergeben. Wir wollten die Essenz der Erik Cohen-Liveshows der vergangenen fünf Jahre anbieten und auf so gut wie nichts verzichten, was für uns und Publikum als “wichtig“ eingestuft werden kann, da ich dieses Album als eine einmalige Sache sehe, die so nicht wiederholt werden wird. Daher ist es am Ende auch eine sündhaft teure Doppel-LP geworden. Wir sind über beinahe 70 Minuten gegangen, um ein möglichst rundes Gesamtpaket anzubieten.“
Der Titelgeber dieses Albums – ´Millionenstadt´, aus dem die Zeile “Live aus der Vergangenheit“ stammt – ist nicht drauf. Bleibt der Song für's nächste echte Studio-Album oder war das nur ein Outtake einer vorherigen Session, den Du zwischendurch digital veröffentlicht hast?
“Mit ´Millionenstadt´ habe ich in der Tat einen ersten Einblick in das gewährt, was perspektivisch noch kommen soll. Der Song ist also nicht aus der Leftover-Kiste gefallen, er ist als ein Startschuss zu sehen. Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit neuen musikalischen Ideen und hoffe, irgendwann ein richtig gelungenes viertes Studio-Album mit dem Song darauf veröffentlichen zu können.“
Aktuelles Album: Live Aus Der Vergangenheit (RYL NKR/Rough Trade)
Foto: Frank Peter