Neben seiner Arbeit als Musiker ist Markus Winter in den letzten Jahren vor allem als Produzent von Hörspielproduktionen auf seinem eigenen Label WinterZeit in Erscheinung getreten – 7 lange Jahre mussten wir deshalb auf das zweite m.o.l.pro.ject.-Album warten, dass erneut sehr vielseitig, vielschichtig und detailgenau produziert ist. Im Booklet von The Flyer schreibt Mastermind Markus Winter, dass es einfach passiert ist und er sich innerlich schon von weiteren Musikproduktionen verabschiedet hatte. Im Interview berichtet Markus, dass erst die Arbeit an diesem Album das Musiker-Feuer neu in ihm entfacht hat.
„Ich hatte so viel mit Hörspielen um die Ohren, dass einfach keine Zeit war, an Musik auch nur zu denken. Und plötzlich waren sieben Jahre um, die einem wie ein paar Augenblicke vorkamen. Wahnsinn. Ich hatte mich nicht direkt verabschiedet, aber auch kein Album geplant, denn das Arbeitspensum bei meinen Hörspielen ist nicht kleiner geworden. Aber tatsächlich wurde das Feuer wieder entfacht, als ich das Metal-Album von Patrik (meinen String-Arrangeur) mit abgemischt und letztlich auf meinem Label veröffentlicht habe. Plötzlich hatte ich wieder eine Gitarre in der Hand und Lust, auch wieder eigene Stücke zu machen. Und dann ging es sehr schnell. Die Stücke sprudelten eigentlich nur so aus mir heraus – und zack hatte ich 16 Songs geschrieben, von denen nun 14 auf dem Album sind.“Wie wichtig waren all deine Freunde, die dich bei der Produktion unterstützt haben? Ist die Idee, diesmal mehr Leute einzubeziehen, bei der Entstehung der Songs entstanden?
„Sehr wichtig. Denn nur so kommen Dinge zustande, die das Album zu etwas Besonderem machen. Arrangements, die mir selbst nie eingefallen wären. Die Chöre z.B. hätte ich so nie arrangiert, das haben Tom (Jott) und Dirk (Hardegen) zu verantworten. Und es passt hervorragend. Auch die Strings – ohne Michael (Donner) und Patrik (Bishay) hätte das nie so geklungen. Wichtig war mir, dass echte Drums auf dem Album zu hören sind. Ich bin kein Freund von Samples und/oder Drumcomputern. Das ist immer nur eine Notlösung. Daher war natürlich auch Carstens Beteiligung sehr wichtig für den Sound des Albums. Und meine Frau Danny sowie Jasmin und Bianca sorgen mit ihren hellen Stimmen für einen Farbtupfer und einen Kontrast zu meinen (mittlerweile) doch eher in den unteren Tonlagen angesiedelten Leadvocals.“
Dennoch hast Du (wie früher) auch einen Song („Traces“) komplett im Alleingang aufgenommen. Eine Reflexhandlung? Ein Test?
„Reflex. ;-) Das Album war ja zu diesem Zeitpunkt schon fertig. Manchmal passiert irgendetwas in der Welt, dass mich sofort zu einem Song inspiriert. In dem Fall die Anschläge von Belgien und Paris. Irgendwie wollte ich dazu was sagen, wenn auch nur für mich selbst – als Verarbeitung. Nicht als mahnender Zeigefinger an die Welt oder so. So entstand der Text. Da nun schlicht keine Zeit mehr war, den Song auch „amtlich“ zu produzieren, hab ich ihn selbst aufgenommen. Größtenteils mit Synthie- und Computersounds. Dann gesungen, Danny und ich sprechen – und fertig. Streng genommen eigentlich ein besseres Demo. Aber er gefiel uns beiden dann so gut, das wir beschlossen „Der muss drauf!“. Und dann haben wir beschlossen, ihn als CD-BONUS zu verwenden. TRACES gibt es nur auf dem physischen Tonträger – nicht als Download. Ich bin Fan der CD, Befürworter der CD und ein wenig Gegner der digitalen Medien, besonders des Streaming. Sicher etwas rückläufig – ich nenne es gern nostalgisch.“
Dein festes Standbein ist die Hörspiel-Produktion für dein Label WinterZeit – was sind die größten Unterschiede zu einer Musikproduktion?
„Oha, das ist ja völlig anders. Und doch auch wieder nicht. ;-) Natürlich ist beides eine kreative Tätigkeit. Während ich bei der Musik Spur um Spur Instrumente hinzufüge, sind es beim Hörspiel Stimmen und vor allem Geräusche. Effekte. Schritte, Atmos, Kämpfe, Explosionen, Autos und und und… Musik gibt es auch – die wird speziell für jedes Hörspiel komponiert und ganz am Schluss daruntergelegt. Ähnlich ist, dass beides heutzutage in Etappen aufgenommen wird. Also bei einer Musikproduktion hast Du nicht mehr die ganze Band gleichzeitig im Studio, die den Song in einem Rutsch einspielt wie zu Beatles-Zeiten, sondern jeder spielt seine Parts einzeln und man setzt es nachher zusammen. Das ist beim Hörspiel genauso. Die Sprecher sitzen nicht zusammen um den runden Tisch und spielen sich die Bälle zu. Jeder kommt einzeln und ich als Regisseur muss dafür sorgen, dass sie die Texte so betonen, dass es nachher wieder passt und die Illusion eines echten Gesprächs entsteht.
Du produzierst und arbeitest zuhause/im eigenen Studio – welche Vorteile bietet Dir das als Künstler? Kannst Du bei Produktionen überhaupt abschalten und neue Kraft sammeln?
„Ich habe keine Anfahrtswege, das spart enorm viel Zeit! ;-) Abschalten kann ich eh kaum. Wenn ich mal angefangen habe zu arbeiten, dann arbeite ich meist durch bis spät Abends – dann kommt aber der endgültige Break und ich mache auch nichts mehr. Mir hilft es, in einer gewohnten Umgebung zu arbeiten – und das gar nicht räumlich trennen zu müssen. Wobei – das Studio ja im oberen Geschoss ist – und ich mich dort in der „Freizeit“ dann auch nicht aufhalte. Also eine gewisse Trennung ist schon da. Und das ist auch gut so.“
Mit m.o.l.pro.ject. bedienst Du eine stilistisch große Bandbreite – stand jemals im Raum, das Ganze noch etwas einzuschränken oder hast Du es bis zum Endergebnis gar schon etwas eingeschränkt?
„Genauso ist es. ;-) Ich habe das schon kanalisiert und eingeschränkt. Das Debutalbum finde ich noch wesentlich wilder. Ich habe ja einen sehr weiten Musikgeschmack. Bei mir stehen bei M Reinhard Mey, Metallica, Machine Head, Magic Affair oder Paul McCartney im Schrank. Ich höre ALLES außer Volksmusik und Rap/HipHop. Also findet sich das auch alles irgendwie in meiner Musik wieder. Und das schöne ist, dass ich ja selbst Label bin, so kann mir keiner reinreden. Ein Major hätte sicher die Hände überm Kopf zusammengeschlagen und gesagt „Oje, das können wir nicht veröffentlichen“. Ich merke das ja auch an den Reaktionen. Kaum jemandem gefällt alles. Aber auch kaum jemandem gefällt nix. Die schwarze Szene mag die düsteren Songs und schüttelt den Kopf bei den Rock’n Rollern oder einem Gute-Laune Song wie „Gasoline“. Die Popfans lieben eingängiges wie z.B. gerade „Gasoline“, rümpfen aber die Nase bei den teilweise recht harten Metalgitarren. Und und und… Aber ich will ja weder ein Hit-Album damit haben, noch irgendeine Zielgruppe oder Szene ansprechen. Ich möchte die Musik machen, die mir Spaß macht und die ich gern mache. Ich habe aber diesmal ein generell ähnliches Arrangement bei allen Songs hinbekommen, also ich finde, das „The Flyer“ deutlich mehr aus einem Guss klingt als alles, was ich vorher gemacht habe.“
Du bist schon mehr als 20 Jahre musikalisch aktiv – wie sehr hat Dich der Wandel des Musikbusiness als Künstler oder in deiner Arbeit als Labelchef verändert?
„Hm, schwierig. Eigentlich gar nicht. Ich war ja nie Chartkünstler. Der große Durchbruch war mir nie vergönnt. Daher war ich aber auch nie abhängig von Charts, Labels oder irgendwelchen Strukturen. Ich konnte eigentlich immer recht entspannt das machen, was ich wollte. Mal mit etwas mehr Erfolg (Charthit in Belgien, Clubhit mit HERTzTON) mal mit weniger. Aber irgendwie ging es immer weiter. Ich bin wie gesagt kein großer Freund des Streaming, aber ansonsten beobachte ich die Entwicklung des Marktes auch weiterhin gelassen. Auch im Hörspielbereich. Die CD setzt immer noch am Meisten um. Die Verkäufe sind stabil – nicht hoch, aber stabil. Es ist ein nostalgischer Markt, meinetwegen eine Nische – und heutzutage geht viel über den direkten Verkauf, da die Läden/Ketten die CD und besonders das Hörspiel sowieso stiefmütterlich betrachten. Von Einkaufsleitern hört man eigentlich nur „Hörspiele – die drehen sich nicht schnell genug“ – und das heißt, dass sie einfach nicht wirklich viel in kurzer Zeit verkaufen. So wie auch Musik jenseits der Charts. Da gehen Games und BluRays einfach schneller über die Ladentheke, daher schmeißen viele mittlerweile CDs und Hörbücher komplett raus oder die Abteilungen werden immer kleiner. Da muss man als Label gegensteuern und mehr auf den Direktverkauf im eigenen Online-Shop oder aber (auch wenn es keiner gern hört) auf AMAZON setzen, da macht man noch gute Umsätze, da dort eben alles vorrätig und schnell bestellbar ist – in den Läden vor Ort leider kaum noch. Und den coolen, kleinen „Plattenladen“ gibt es ja so gut wie gar nicht mehr. Wo der Besitzer, wie früher, noch weiß, WAS er im Regal hat und sich um die Industrie nicht schert – schade, aber so ist es leider.“
Wie kam es dazu, dass sich ein Amy MacDonald-Song aufs Album „verirrt“ hat – welche Beziehung hast Du der Schottin oder speziell zu diesem Song?
„Ich würde mich schon als Fan bezeichnen. Siehe oben – die hätte in meine M Aufstellung auch gepasst. Ich habe sie vor ein paar Jahren mal im TV gesehen, als sie „Dont‘ tell me it’s over“ live gesungen hat. Das hat mich sofort umgehauen. Seitdem bin ich infiziert. Sie ist eine tolle Sängerin und eine noch bessere Komponistin, sie schreibt einfach tolle Songs. „4th of July“ ist mein Lieblingslied von ihr und ich wollte es immer schon mal covern. Jetzt war der Moment einfach gekommen.“
Was ist in naher Zukunft noch für m.o.l.pro.ject. möglich? Live-Auftritte, Touren etc.? Oder lässt dein WinterZeit-Schedule solche Gedanken nicht zu?
„Eigentlich nicht, ABER – wir sind tatsächlich inzwischen eine fünfköpfige Band, die 2017 auf Tour gehen wird. Also erst mal in kleinem Rahmen, denn natürlich wartet die Welt nicht auf unsere Auftritte. Aber wir haben Freude daran, die Songs der beiden Alben zu spielen und es zieht uns einfach wieder raus. Als Musiker kommt man nie davon los. Und wenn einen das Fieber wieder gepackt hat, dann richtig. Auch auf das dritte Album wird man jetzt nicht wieder 7 Jahre warten müssen. Wir schreiben bereits neue Songs.“
Aktuelles Album: The Flyer (WinterZeit/Soulfood), VÖ: 15.07.