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FRANK TURNER

Von Liebenden und Arschlöchern

FRANK TURNER

Er singt vom Leben, von Verlierern und von der Liebe. Oder, wie Frank Turner es gerne formuliert: „Ich beobachte das Leben und was sehe ich? Liebende und Arschlöcher.“ Der Londoner blickt nicht nur andauernd auf das Leben, er schreibt diese Betrachtungen auch gleich auf. Immer. „Ich habe angefangen für die aktuelle Platte ‚Positive Songs For Negative People’ zu schreiben, als die letzte im Kasten war. Sofort. Ohne eine Pause dazwischen.“

Etwas das gesagt werden will

Frank Turner gehört auch nicht zu den Musikern, die Stücke sammeln und sich aus einem riesigen Archiv auch für die weitere Arbeit bedienen.

„Meine Lieder werden immer für jeweils kommende Album verbraucht“, erzählt er, „wenn ich schreibe, steht aktuell Protokolliertes im Vordergrund. Etwas das gesagt werden will. Und zwar sofort. Also soll es möglichst schnell auch auf ein Album.“

Diese Dringlichkeit ist bei jedem Hören sofort spürbar. Man wird das Gefühl nicht los, nicht Frank Turner hat sich die Themen ausgesucht, die Themen haben ihn gesucht. So unmittelbar, so drängend sind die Stücke. „Ganz verstehe ich den Prozess meines eigenen Komponierens nicht“, lacht Frank Turner, „ich habe keine Schreibrituale, ich schreibe zu keiner bestimmten Zeit am Tag und gehe zum Schreiben auch an keinen bestimmten Ort. Ein zunächst zielloses Klimpern auf der Gitarre führt mich schließlich zu einem Lied. Und ich muss betonen, ‚es’ führt mich zum Lied. Bis zu einem bestimmten Punkt ist das potentielle Lied aktiver als ich selbst.“

Damit bloß nichts verloren geht, nimmt Frank Turner alles mit seinem Smart-Phone auf. Und wenn er später dann wieder zu diesem Teil greift, um zu hören, was sich denn da so findet, gibt es durchaus auch mal eine Überraschung.

„So griff ich kürzlich einer durchzechten Nacht zu meinem Smart-Phone und fand richtig gute Sachen. Die muss ich wohl noch auf der Gitarre rausgehauen haben, bevor ich mit meinem besoffenen Kopf ins Bett bin. Aber an Zufälle glaube ich nicht. Vermutlich wieder etwas, was mich gesucht hat.“

Aber mehr als Skizzen sind das ja nicht, was sich so ansammelt.

„Natürlich nicht. Nach der Inspiration ist immer vor der Disziplin. Es gibt zwar die Situationen, wo gleich von Beginn alles passt. Aber die sind rar gesät“, nimmt Frank Turner den gesprächsfaden wieder auf, „von der Skizze aus arbeite ich mich zum ersten Chorus vor, zur ersten Strophe. Alles super bis dahin. Doch dann kommt das Problem der zweiten Strophe. Die dritte geht dann wieder, wenn die Klippe der zweiten genommen ist.“



Die (wieder)gefundene Heimat

Auf der Platte findet sich das Lied ´The Angel Islington´ – eine Ode an das nördliche London. Dort wohnt Frank Turner inzwischen. Aber es keine ganz neue Umgebung für ihn.

„Mein musikalisches Leben spielt sich schon lange zwischen Holloway und Camden ab“, sagt er, „und Neuland war auch das nicht für mich. Die Familie meines Vaters stammt von dort und als Kind verbrachte ich jedes Wochenende dort.“

Frank Turner hat dort seine Heimat (wieder)gefunden. Und so ist ´The Angel Islington´ auch ein Lied darüber, dass man sich ruhig zugestehen darf, dass man sich an einem bestimmten Ort so richtig wohl fühlt.

„Das hat ganz schöne lange gedauert, bevor ich dieses Heimatgefühl auch leben konnte“, fährt er fort, „lange Zeit hatte ich keine eigene Wohnung. Nun lebe ich dort mit einem Freund zusammen, der mir beibiegen musste, was Heimat ist. Ich lebte auch dort länger einfach aus dem Koffer. Solange, bis er sagte, das ist unsere Wohnung und hör endlich auf ,darin zu leben, wie in einem Hotelzimmer. Seitdem packe ich regelmäßig, wenn ich von einer Tour zurückkomme, ganz brav meinen Koffer aus.“

Auch treibt er sich nun in den umliegenden Bars, Kneipen und Pubs herum. Und gibt dort auch Konzerte, so unterstützt er am 2. Februar diesen Jahres den 12 Bar Club, ein Club aus der Hausbesetzerszene, jetzt zu finden 203 Holloway Rd, London N7 8DL im ehemaligen Phibbers Pub. Oder hängt im legendären Boogaloo, 312 Archway Rd, London N6 5AT, rum. Ein Club, dem nachgesagt wird, dass er das Wohnzimmer von The Pogues-Frontmann Shane MacGowan ist. Doch für die Aufnahmen zu ´Positive Songs For Negative People´ verlässt e sein geliebtes Nordlondon in Richtung Nashville.

„Ich ging nicht nach Nashville wegen des ganzen Nashville-Hypes“, stellt er klar, „ich wollte einfach mit Butch Walker als Produzenten arbeiten. Und wenn er in Timbuktu leben und arbeiten würde, dann würde ich nach Timbuktu reisen.“

Und vor allem schätzt er ihn als Musiker. Zunächst wusste ich gar nicht, dass er auch Produzent ist und mit Leuten, wie Taylor Swift, Katy Perry oder Pink arbeitet. Frank Turner kannte ihn auch gar nicht persönlich. Doch seine Facebook-Anhängerschaft stellte den Kontakt her. Butch Walker mag den Klangkosmos von Frank Turner und es kann losgehen.

“Als ich dort war erfuhr ich zudem, dass er auch ´Raditude´ von Weezer produziert hat“, schmunzelt der Nordlondoner, „jetzt hatte ich erst recht keine Fragen mehr. Dann ging alles richtig schnell – nach neun Tagen war das Album fertig.“

Und wer sich dem Album nähert, der sollte das Schubladendenken ablegen und sich einen Satz von Frank Turner ins Gedächtnis rufen: „Ich mache einfach das, worauf ich Bock habe, ganz einfach. Wem es nicht gefällt, der muss es sich ja nicht anhören. Ich finde diesen ganzen Definitionskram total überflüssig.“

Und wer das beherzigt, der wird so richtig Spaß mit Frank Turners Musik haben.

Aktuelles Album: Positive Songs For Negative People (Xtra Mile Recordings / Vertigo / Universal)

Foto: Tara Novak

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