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IBEYI

Eine Vision, zwei Extreme

IBEYI

Hans Dampf in allen Gassen trifft auf Zurückgezogenheit par excellence. Die Zwillinge hinter dem Projekt Ibeyi könnten als musikalisches Duo kaum unterschiedlicher sein und doch haben sie nach Jahren des Anlaufs nun endlich ihr gleichnamiges Debüt ´Ibeyi´ im Kasten: „Wir wissen, dass sich die Presse gerne auf den familiären Background stürzt und dort die Erklärungen für unseren Sound sucht“, vermutet Lisa-Kaindé und bekommt von Schwesterherz Naomi Diaz recht. „Stimmt“, fügt diese kurz hinzu und betont, dass man am liebsten die Songs für sich selbst sprechen lassen würde. Was wahrscheinlich der Lieblingswunsch eines jeden Musikers ist und doch scheint die Rolle ihrer Familie zu relevant, als dass sie einfach unter den Tisch fallen könnte.

PR-Profis sind die beiden nicht. Zum Interview in einem Berliner Hotel nahe der berühmten Mauer sollte ein jeder Redakteur Geduld mitbringen, denn Ibeyi präsentieren sich derart unverkrampft, dass es zwar Spaß macht, ihnen beim Feixen zuzusehen, dies aber genauso anstrengend sein kann.

Immerhin beherrschen die beiden eine Vielzahl von Sprachen, kommunizieren aufgrund ihres Geburtsortes Paris jedoch auf Französisch miteinander. Soll heißen, sobald eine der beiden eine Äußerung trifft, die die andere überrascht, wird das Statement zu zweit weiterdiskutiert und das leider nicht auf Englisch.

Eine Tatsache, die auch ihrer Plattenfirma aufgefallen sein dürfte und so gibt es eine ausführliche Biographie der gemeinsamen Band Ibeyi bereits vor dem Gesprächstermin. Hier zu entnehmen ist vor allem, dass beide früh mit der Musik begangen, aber erst im Teenageralter den künstlerischen Draht zueinander fanden.

„Du kennst das sicherlich – in jungen Jahren ist immer ein starkes Konkurrenzdenken da. Man will die Bessere sein und der Liebling der Eltern. Als Teenager ändert sich dies und führte bei uns dazu, dass wir merkten, die Unterschiede in den Persönlichkeiten sind ein unglaublicher Gewinn für die gemeinsame Musik.“

Hervorgerufen auch durch den überraschenden Tod ihres berühmten Vaters Miguel ´Anga´ Diaz, der als festes Mitglied im kubanischen Buena Vista Social Club mit 45 Jahren einem Herzinfarkt erlag und zwei 11-jährige Kinder hinterließ, die ganz unterschiedlich mit dem Verlust umgingen, wie Lisa-Kaindé sich erinnert:

„Naomi nahm ein wenig die Art & Weise auf, wie Vater mit der Musik umging: Sie lernte nicht nur sein Lieblingsinstrument, das Cajón, sondern suchte früh ein Publikum für ihre ersten Gehversuche als Musikerin – während ich mich eher wegschloss und daheim für mich allein spielte.“

Im Alter von 13 oder 14 Jahren sei man dann auf die Idee gekommen, es gemeinsam zu versuchen und dies nicht nur auf konventionelle Weise, sondern so, dass ihr Background herauszuhören ist und man nun sofort spürt, dass das gleichnamige Debüt ´Ibeyi´ eine persönliche Angelegenheit darstellt.

Zwar ist der Hauptanteil der Lyrics auf Englisch verfasst, hinzukommt gleichwohl Yoruba: Eine Sprache, die einst mit den nigerianischen Sklavenschiffen nach Kuba kam und heute noch dort unter der Bezeichnung Nago in der alltäglichen Kommunikation verankert ist.

„Wir wollten zweierlei: Zum einen das Cajón in unsere Songs einbinden und dazu in den Texten ein ähnliches Zeichen setzen, indem wir in mehreren Sprachen singen.“

Eine Mischung, die funktioniert, weil ´Ibeyi´ als Album den Ansatz von flächendeckendem Pop verfolgt, wie es entschleunigte Electronica ähnlich oft zum Vorschein kommen lässt. Zusammengenommen mit den erwähnten traditionellen Elementen, klingt das Ergebnis für ein Debüt erstaunlich reif und zu Ende gedacht.

„Wir freuen uns über solche Komplimente“, lächelt Lisa-Kaindé und versichert sich in französischer Muttersprache sogleich bei ihrer Schwester Naomi, ob dem wirklich so sei und fügt hinzu, dass die Vergleiche mit anderen Musikern okay sind - sowie die Tatsache, dass ihre Familie im Mittelpunkt der Berichterstattung steht.

So ist ´Ibeyi´ das versöhnliche Happy End zweier Geschwister, die neun Jahre nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters ein Kapitel schließen und ein neues, vielsprechendes für die Zukunft aufschlagen.

Aktuelles Album: Ibeyi (XL Recordings / Beggars / Indigo)

Foto: Flavien Prioreau

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