Twin Atlantic gründen sich im März 2007 in Glasgow. Da muss übrigens ein Nest sein, schaut man auf die lange Liste der Formationen, die diese schottische Stadt immer wieder ausspuckt. Es sei nur an Glasvegas, Mogwai, Simple Minds, Travis, Franz Ferdinand oder die Young-Brüder von AC/DC erinnert. Von der schnellen Truppe scheinen Twin Atlantic jedoch nicht zu sein. in der Zeit von 2007 bis heute, also in sieben Jahren, sind gerade mal die EP ´A Guidance From Colour´, die Single ´What Is Light? Where Is Laughter?´, ihr Mini-Album ´Vivarium´ und das erste reguläre Album ´Free´. Jetzt legen Twin Atlantic nach und stellen ihre zweite Langrille ´Great Divide´ in die Regale der Plattenhändler.
Keine Lust aufs Plattenmachen„Was auf den ersten Blick aussieht, als hätten wir keine Lust aufs Plattenmachen, muss auf den zweiten Blick anders beurteilt werden“, stellt Gitarrist Barry McKenna klar, „wir sind eben ausgiebig getourt und haben die Basis dafür geschaffen, dass dann auch viele unsere Veröffentlichungen haben wollten.“
Wo er Recht hat, hat er Recht; denn ein Blick in den Tourneekalender von Twin Atlantic offenbart mehr als einhundert Tourneetage im Jahr. Dabei sind spannende Gastspiele im Vorprogramm so großer Helden, wie The Smashing Pumpkins, Biffy Clyro oder The Subways. Zuletzt begleiteten Twin Atlantic 30 Seconds To Mars auf ihrer Europa-Tour. Auch das viele Fans die Platte ´Free´ haben wollten, lässt sich verifizieren. Schließlich verkauft sie sich aus dem Stand heraus deutlich mehr als 100.000-mal. Doch etwas weiteres zieht das exzessive Touren nach sich, die Frage, wie denn das Touren und das Komponieren neuer Lieder unter einen Hut gebracht werden kann. Darauf hat Barry McKenna eine probate Antwort.
„Wir mussten einfach lernen, während der Tour zu komponieren. So sind für die neue Platte ‚Great Divide’ 90 Prozent der Lieder auf den Sitzen des Nightliners entstanden. Das ist übrigens nicht die schlechteste Übung. Wenn du in den Bus kletterst, bist du randvoll mit Adrenalin. Du kannst nicht vor zehntausend begeisterten, mitsingenden Leuten spielen und davon nicht völlig hin und weg sein. So energetisch aufgeladen hören sich dann auch die Stücke an. Oder besser, die Skizzen, an denen wir im Bus arbeiten.“
Der Kopf als guter Filter
Die über den Tourzeitraum gesammelten Skizzen werden nicht aufgenommen oder sonst wie festgehalten. Wenn Twin Atlantic im Proberaum ankommen und sich an die Ausformulierung der Skizzen machen, gilt: „Wenn wir uns an das, was wir da unterwegs ausgetüftelt haben nicht mehr erinnern können, kann das Stück so stark nicht gewesen sein. Dem Rest widmen wir dann unsere ganze kreative Kraft.“
Da sich Musiker von Twin Atlantic durch das ewige dichte Aufeinanderhocken schon sehr gut kennen, sind sie auch was das Komponieren anbetrifft zu schnellen Arbeitern geworden.
„Das gegenseitige Vertrauen ist schon sehr groß und durch die organisch gewachsene kreative Kommunikation, dauert es meist auch nicht lange, bis wir alle Vier mit einem Stück glücklich sind.“
Den notwendigen Rest erledigen die beiden Produzenten Jacknife Lee, der auch U2 und REM zu seinen Kunden zählt und Gil Norton, der schon die Musik der Pixies und Foo Fighters veredelte. Am Ende stehen 12 Stücke, die zwar in der Tradition ihres bisherigen Schaffens stehen, aber auch durchtränkt sind von Reminiszenzen an härterem Pop und an den Glamrock der 1970er-Jahre. Vermutlich sind Twin Atlantic auf der Tour mit 30 Seconds To Mars auf den Geschmack gekommen und schielen jetzt auch aufs Stadion. Davon legt ihre aktuelle Single ´Heart And Soul´ beredtes Zeugnis ab.
Dabei sollte die Band allerdings im Blick haben, dass aus der Liebe zum stadiontaugleichen Lied nicht eine unsinnige und stromlinienförmige Anbiederung an einen vermeintlichen Massengeschmack wird. Erste Anzeichen gibt es dafür, dass an Stellen geschliffen und poliert wurde, wo doch Ecken und Kanten dem Stück deutlich besser zu Gesicht gestanden hätten. ´Brothers And Sisters´ ist so ein Stück.
Aktuelles Album: Great Divide (Red Bull Records/Rough Trade)