Kein Fluss. Kein Ort. Kein Produkt. Ein Name. Annemarie Schwarzenbach, eine lesbisch orientierte Schweizer Schriftstellerin, 1908 geboren und 1942 an den Folgen eines Fahrradunfalls gestorben, ist die Namensgeberin des vom Kammerflimmer Kollektief und Dietmar Dath auf die Beine gestellten Kein Fluss. Kein Ort. Kein Produkt. Ein Name. Annemarie Schwarzenbach, eine lesbisch orientierte Schweizer Schriftstellerin, 1908 geboren und 1942 an den Folgen eines Fahrradunfalls gestorben, ist die Namensgeberin des vom Kammerflimmer Kollektief und Dietmar Dath auf die Beine gestellten Projekts The Schwarzenbach. Zisch-, Fauch- und ähnliche Laute aus dem Badisch-Süddeutschen verbindet den Bandnamen mit den Herkunftsregionen des Quartetts – von Karlsruhe nach Lörrach bis Freiburg.
Das zweideutige, geschlechtlich und literarisch nicht festgelegte Handeln der Autorin Schwarzenbach, die als tragfähige Stimme für Mehrdeutigkeiten und Text-Ton-Bestimmungen das Ohr von Dietmar Dath erreichte. Das in den Namen einführende englische „The“ sollte ermöglichen, das Pop-Spielen mitzuspielen, das auf einer altmodischen Ebene, wo alle Namen von Irgendetwas mit dem „The“ sagen: Wir sind jetzt eine Band.„Farnschiffe ist ein literarisch-sprachliches Bild. Den Begriff habe ich aus einem Roman entnommen, den ich für jemanden als Geschenk zum Geburtstag geschrieben habe. Darin ging es darum, starr gegeneinander gesetzte Dinge ineinander zu flechten. Dazu gehörten auch Technik und Natur. Schiffe können als Transportmittel jemanden vom Wirklichkeitsort zum Sehnsuchtsort bringen,“ sagt Dietmar Dath, der bereits vor Jahren mit dem Kammerflimmer Kollektief (Thomas Weber, Heike Aumüller, Johannes Frisch) in Theatern und Beschwörungsfestivals zusammen arbeitete.
„Das sind aber immer nur technische Gegenstände oder von der Natur geschenkte Dinge wie eine Nussschale, in denen man irgendwo herum schwimmt, oder in einer Werft hergestellte Schiffe. Beides fand ich als Metaphern-Bild nicht so schön. Große Farnwedel dagegen haben etwas Schiffartiges. Dieser Gedanke entwickelte sich weiter. Wenn ich durch einen Wald ging hatte ich das Gefühl, daß dieser Blätter sich zu einer Kuppel zusammen tun könnten, oder zu einer Bühne oder zu einem Schiff.“
Thomas Weber vom Kammerflimmer Kollektief äußerste als erster sein Gefühl, daß Dietmar Daths Umgang mit Sprache sich gut mit dem verträgt, wie das Trio mit Musik arbeitet. Für ´Wildlinge´ hatte der Schriftsteller und ehemalige SPEX-Chefredakteur Dath die liner notes geschrieben. Das um Dietmar Dath erweiterte Trio belebte außerdem eine musikalisch-literarische Präsentationsform, wie sie Peter Rühmkorf mit ´Jazz und Lyrik´ einst betrieben hatte. Die Frage war: Ist Singen ein Sonderfall des Sprechens oder, umgekehrt, Sprechen eher ein Sonderfall des Singens. Heike Aumüller praktizierte bereits eine Art lautmalerische Poesie, die bereits seit den Futuristen existiert. In diesem künstlerischen Biotop produzierte das Ensemble – noch unter dem Namen Dietmar Dath und das Kammerflimmer Kollektief – das Album ´Im erwachten Garten´ (2009), ein Hörbuch in dem Sinne, „das der Text nirgendwo anders existiert als auf der Platte. Es hieß immer, dies sei eine Lesung aus einem Teil aus 'Die Abschaffung der Arten'. Das stimmt nicht und wurde auch in der Presse immer falsch dargestellt. Es sei vielmehr ein Werk im ´Mondhof´ dieses Buches”, sagt Dath, in der Nähe oder in der Aura des Buches. Der Text wurde bei den Studioaufnahmen immer wieder verändert, es gab fünf bis sechs Versionen davon, die so zusammen geschnitten wurden, dass sie zu der Musik passten.
Nach dieser Beschäftigung mit der Form Hörbuch wandten sich Schriftsteller und Musiker der Form Song zu. Daraus entwickelte sich The Schwarzenbach, eine neue Band, die nun mit ´Farnschiffe´ neue Texte und Musik präsentiert. Ein paar musikalische Skizzen von Thomas Weber gab es, zu denen Dietmar Dath in der klassischen Liedform (Strophe – Refrain – Strophe) Texte beisteuerte. Bei den ersten Aufnahmen sang Dath seine Texte noch über die von Weber weiter ausgearbeiteten Skizzen. Doch es wurde klar, daß in dieser Art das Projekt nicht befriedigend funktionieren würde. Später entstanden neue Texte, weil Thomas Weber entweder ganz neue Songs mitbrachte oder Elemente in anderen Liedern umstellen wollte. Im „Faust“-Studio in Scheer, an einem Seitenarm der Donau, entstanden völlig neue Texte aus der Situation heraus, wie bei dem Talking Blues ´Nein Sprich Nein Sklave´.
Dafür musste Dietmar Dath sich „sogar Mut antrinken, weil meine Erfahrungen aus dem Literaturbetrieb so sind, daß man mit fertigen Texten auftritt und seine Lesung durchzieht. Man muss nicht aus dem Stegreif dichten. Was dazu führte, dass in diesem Blues japanische Whiskeymarken getrunken werden. Es waren die Getränke, die es mir erlaubten, mich ans Mikrofon zu stellen.“
Aktuelles Album: Farnschiffe (Zick Zack / Indigo)
Foto: Claudia Rorarius