Wenn Larry Mullins Musik macht, ist er Toby Dammit. Und die Namen derer, mit denen er schon zusammen arbeitete, sind groß, bunt gemischt und die Anzahl kaum überschaubar. Beispiele gefällig? Bertrand Burgalat, Iggy Pop, Swans, Stephan Eicher, Ryan Adams. Wow! Toby Dammit ist 36 Jahre alt, lebt in New York, ist aber fast nie da. Er ist immer unterwegs. Er spielt für sein Leben gern Schlagzeug, ist klassisch ausgebildet, hat sein eigenes Label gegründet und dieser Tage erscheinen darauf 2 Alben, an denen er maßgeblich beteiligt war. Federführend dabei waren Thomas Wydler, als Schlagzeuger von Nick Cave‘s Begleitband The Bad Seeds und Die Haut wohl bekannt, und Luther Hawkins, ein Organist und Songwriter aus Los Angeles. Das i-Tüpfelchen setzte diesen Produktionen aber ein anderer auf. Richtig, es ist Toby Dammit.
Dem Kenner mag der Name Toby Dammit als Charakter aus Edgar Allen Poe‘s Kurzgeschichte „Never Bet The Devil Your Head“ oder der Fellini-Verfilmung eben dieses Stoffes geläufig sein, er selbst erhielt diesen Namen, ohne die Hintergründe zu kennen, vom Produzenten seines Solo-Debüts, Bertrand Burgalat. „Bertrand hatte sich die Rechte an diesem Namen gesichert und suchte nach jemandem, der diese Person werden wollte. Und als wir an meinem ersten Album arbeiteten, entschied er, dass ich der Auserwählte bin.“, berichtet Toby nüchtern. „Und leider kann ich mich auch nach Lektüre und Anschauung der Verfilmung voll mit dieser Person identifizieren.“ Und das, obwohl die Poe-Figur Toby Dammit am Ende dieses bizarren Märchens seinen Kopf verliert. Aber so wild wie in eben dieser Geschichte, ist es auch in seiner eigenen geschehen. Als Kind eine klassische Ausbildung zum Perkussionisten genossen, zahlreiche Preise gewonnen und in seinem Metier als großes Talent gehandelt, war die Liebe zum Punkrock stärker und die Abkehr vom ur-orchestralen Sound gemacht. „Der Lifestyle im Sinfonieorchester gefiel mir nicht, ich zog lieber mit meinen Punkbands durch die Clubs und Bars, also habe ich all den klassischen Kram hinter mir gelassen.“ Und nach dem Kapitel mit Iggy Pop, das ihm einige Studio-Sessions und zahlreiche Touren eingebracht hatte, zog es ihn in eine etwas mehr experimentelle Richtung. „Ich hatte fast 9 Jahre lang straighte Rockdrums gespielt und wollte dann endlich mal etwas anderes machen. In meinem Kopf war immer noch dieser Teil, der all die klassischen Informationen beherbergte, und ich wollte all meine Vorstellungen einfach zusammenbringen und ausprobieren.“ Hört man sich die beiden aktuellen Veröffentlichungen an, erkennt man diesen Ansatz sicherlich, denn man kann trotz aller Komplexität durchweg gut zuhören. Bei der Platte eines Schlagzeugers, der auch noch bewusst alle Spektren perkussiver Musik abdecken möchte, erwartet man aber wohl eher etwas mehr tanzbares. „Mein erstes Album, „Top Dollar“, sollte eigentlich eine reine Dance-Platte werden, die ausschliesslich aus symphonischer, akustischer und elektronischer Perkussion besteht, weil Bertrand eine so große Sammlung an Instrumenten besitzt. Aber als wir drin waren, wurde es immer psychedelischer und die elektronische Seite kam nicht so sehr zum Tragen. Es hat aber trotzdem sehr viel Spaß gemacht und ich habe sehr wilde Spieltechniken benutzt - Tanzbar hat es das Album aber auch nicht gemacht.“Unbedingt tanzbar sind die beiden neuen Alben auch nicht, aber ebenso wie sein Debüt eine Herausforderung. „Mit Thomas Wydler verbindet mich eine lange Freundschaft, wir wollten immer mal etwas zusammen machen, weil unsere Geschmäcker ähnlich sind, wir beide Schlagzeuger sind und oft miteinander getourt haben. Luther Hawkins kenne ich noch länger, und auch mit ihm wollte ich schon immer einmal zusammen arbeiten, da ich von seinem großen Fundus an Kompositionen wusste, und er hatte noch nie vorher eine Platte veröffentlicht. Ausserdem hat er mit diesem Projekt meinen Kopf frei gemacht, als meine Ehe in die Brüche ging. Beide Alben sind also eher als sehr private, freundschaftliche Zusammenkünfte denn als reine Arbeiten zu verstehen.“ Fungierte er auf dem Luther & Toby-Album noch eher als menschlicher Rhythmusautomat zu Hawkins‘ Orgelweisen, beschränkte sich die Tätigkeit bei den Aufnahmen zu „Morphosa Harmonia“ nicht auf perkussive Elemente. Toby‘s Flucht aus der ordinären Schlagzeugerwelt? „Die Platte mit Luther haben wir ganz anders aufgenommen als die mit Thomas - nämlich bei ihm zu Hause. Das war eine sehr kontrollierte Umgebung, nur der Techniker und wir beide. Thomas dagegen hatte schon die ganze musikalische Atmosphäre für unser Album entworfen, als er mich zu sich nach Berlin einlud. Ich hatte im Vorfeld keine Idee, was dort überhaupt entstehen und ob es überhaupt funktionieren würde. Als ich dort ankam, hatte er schon den Großteil der Sachen, die ich normalerweise machen würde, bereits eingespielt. Also habe ich mir überlegt, was ich denn dort machen würde, und ich hatte nicht viele Instrumente dabei. Eines jedoch war meine Stimme, und die hatte ich noch nie wirklich benutzt, also haben wir das einfach ausprobiert. Nichts davon war vorbereitet, es entstand ganz spontan und die Aufnahmen waren auch ziemlich schnell getan. Eigentlich ging alles rasend schnell. Insgesamt waren beide Alben innerhalb von je einer Woche im Kasten.“ Wie schreibt ein Schlagzeuger - und insbesondere einer wie Toby Dammit - eigentlich Songs? „Sicherlich nicht wie ein traditioneller Songwriter! Ich schaffe am liebsten eine spontane Recording-Umgebung, um in einem bestimmten Zeitrahmen Aufnahmen machen zu können. Dann muss ich nur noch die Leute, die ich brauche oder mit denen ich zusammen arbeiten möchte, dort einbinden und mit ihnen ganz ungehemmt und spontan arbeiten. Das setzt musikalisches und technisches Vertrauen voraus, zumal ich nie viel vorbereitet habe. Was auch immer dann geschieht ist alles, was wir haben. Normalerweise funktioniert das auch gut und entwickelt sich zu etwas ganz Besonderem, das diesen Moment - den Raum, die Zeit und alle Beteiligten - reflektiert.“ So wird die Live-Umsetzung dieser beiden Alben wohl eher schwierig zu bewerkstelligen sein. „Nun, das „Morphosa Harmonia“-Album werden wir wohl nicht auf die Bühne bringen, es war auch nie dafür vorgesehen. Das Luther & Toby-Album dagegen eignet sich hervorragend für eine Performance. Das einzige Problem derzeit ist, dass er in L.A. lebt und ich in Berlin und wir noch nicht die Zeit gefunden haben, das vorzubereiten. Wir haben allerdings schon ein wahnsinniges Angebot erhalten: im Vorprogramm von Tool im Frühjahr irgendwo in Kalifornien. Wir haben schon einige Ideen für die Show. Wir beide als Instrumentalisten und dazu einige Tänzer. Im nächsten Jahr wollen wir aber auch definitiv in Europa touren.“Aktuelle Alben:
Thomas Wydler & Toby Dammit - Morphosa Harmonia
Luther & Toby - Karny Sutra (beide Hit Thing/Indigo)
Weitere Infos: www.hitthing.de