Seit mehr als 25 Jahren ist Will Oldham – anfangs unter dem Namen Palace Brothers, dann als Bonnie ´Prince´ Billy – mit seinem herrlich undefinierbaren Roots-Sounds rastlos in der Indie-Welt unterwegs und dabei als liebenswerter Kauz und Kritikerliebling jeglichen Genre-Trends stets geschickt aus dem Weg gegangen. Jetzt erscheint ´I Made A Place´, sein erstes Album mit neuen, eigenen Songs seit 2011.
Die lange Pause ist schnell erklärt: Acht Jahre lang hat Will Oldham versucht, die Krise der Musikindustrie und die damit einhergehenden grundlegenden Veränderungen auszusitzen, und verlegte sich auf Kollaborationen mit Bryce Dessner, Trembling Bells oder Bitchin Bajas und coverte fleißig Songs von Susanna Wallumrod, Mekons, Merle Haggard und manchmal sogar seine eigenen. Jetzt ist dem in Louisville, Kentucky, heimischen 49-jährigen Songwriter, Musiker und Gelegenheitsschauspieler zum Glück der Geduldsfaden gerissen.„Ich hielt den Atem an und wartete darauf, dass der Sturm vorüberging, aber dieser Sturm ist gekommen, um zu bleiben, und die von ihm angerichtete Verwüstung ist unsere neue Landschaft“, sagt er rückblickend. Sein Ausweg aus dem Dilemma? Er setzte sich hin, um in Songform das zu äußern, was er fühlte – auch wenn er es anfangs nur für sich selbst tat.
„Als ich anfing, an diesen Songs zu arbeiten, dachte ich, dass es keine Chance gäbe, sie zu vollenden, aufzunehmen und zu veröffentlichen“, verrät er. „Das war eine konstruktive Grundeinstellung, die die Songs bis zu dem beängstigenden Moment schützte, in dem wir sie loslassen und dem Publikum preisgeben.“
Geschrieben hat er die Lieder frisch verheiratet, mit seiner schwangeren Frau, der Künstlerin Elsa Hansen Oldham, an seiner Seite, oder wie er es selbst ausdrückt: „Diese Songs sind die erste Musik, die unsere Tochter gehört hat.“
Dabei hinterließen die Aufnahmen hawaiianischer Künstler wie Johnny Lum Ho und Edith Kanaka´ole genauso Spuren wie die Songwriter-Outlaws John Prine oder Tom T. Hall, und auch die Neo-Zydeco-Compilation ´Trail Riderz Vol. 1´ diente als Inspiration. Musikalisch stand Oldham derweil der Sinn nach einprägsamen Power-Melodien, die eine Verbindung zwischen Künstler und Publikum herstellen. Unterstützt wurde er auf dieser Mission von seinem alten Weggefährten Danny Kiely am Bass, Mike Hyman vom Gary Burton Quartet am Schlagzeug, Jacob Duncan am Saxofon und Nathan Salsburg an der Gitarre, während Folk-Chanteuse Joan Shelley sich für Oldhams Gastauftritte auf ihren Platten revanchierte. Für überdrehte Country-Songs wie das herrlich schräge ´At The Back Of The Pit´ ist dabei auf dem neuen Album genauso Platz wie für den Glauben an eine größere unbekannte Macht beim seelenvollen ´In Good Faith´.
Ohne seine beachtlichen künstlerischen Errungenschaften der Vergangenheit aus den Augen zu verlieren, setzt Oldham für einen Mann, der seit jeher ein ausgewiesener Experte für die weniger schönen Seiten des Lebens ist, dieses Mal auf einen bisweilen ungewohnt leichten Touch, wenn er aufrichtig und ungeniert seine klugen Beobachtungen in tiefgründigen Texten mit literarischem Anspruch festhält und dabei auch ein Augen-zwinkern nicht vergisst.
„Die Platte ist bewusst zweigeteilt”, erklärt er. „Die erste Seite ist groß und glücklich und dicht, die zweite dagegen ist offener und fragender und froh, traurig zu sein. Sie nimmt die Ausbreitung und das Aufblähen der westlichen Zivilisation ins Visier, indem sie das Komplizierte und Wunderbare all dessen beleuchtet, was von modernen populistischen Denkweisen nicht gewürdigt wird.“
Apropos Populismus: Dem Thema Erfolg steht Oldham nach einem Vierteljahrhundert als Kultstar immer noch sehr gespalten gegenüber.
„Nicht viele Leute finden eine eigene Definition von Erfolg“, sagte er letztes Jahr einem US-Magazin. „Es wäre schön, wenn es in der Musikwelt mehr Beweise für nuancierte Versionen von Erfolg gäbe – im Gegensatz zur Vorstellung, dass Erfolg ein Tiny Desk Concert, eine erfolgreiche Show im Apollo oder ein Headlineauftritt bei Coachella ist. Headliner bei Coachella, das hat für mich nichts mit Erfolg zu tun!“
Aktuelles Album: I Made A Place (Domino / GoodToGo)
Weitere Infos: royalstablemusic.com Foto: Christian Hansen