Popmusik ist selten ein Begriff, der mit Komplexität assoziiert wird. Nicht wenige denken wohl eher an am Computer zusammengebastelte Sampler und seelenlose Lyrics ohne tatsächlichen Inhalt. Vielleicht auch an Repetitives aus der Radiolandschaft. Die allgemeine Popmusik ist zum Guilty Pleasure verkommen – wenn überhaupt – doch nichtsdestotrotz sollte man ich auch hier nicht von gängigen Meinungen und Vorurteilen beirren lassen. Es ist, wie es immer ist: Man muss sich mit der Thematik auseinandersetzen, Geduld aufbringen und nur lange genug suchen, dann findet man auch etwas, das einen aus der Reserve lockt. Albert Luxus beispielsweise.
Die Musiker aus Köln sind gewieft, clever und perfektionistisch. Jahrelang können sie an Musik und Texten arbeiten, alles nach ihrem Belieben schreiben – und dann wieder komplett umwerfen.„Ich habe jedes Lied gefühlt 200mal eingespielt“, erinnert sich Schlagzeuger Andreas Kiwitt. „Jedes Mal, wenn ich dachte, ´okay, das war’s jetzt´, kam eine Anregung oder eine neue Basslinie dazu und ich musste nochmal ran. Das hat stellenweise eine Eigendynamik entwickelt, die ich selbst nicht mehr nachvollziehen konnte. Etwas bescheuert!“
Ganz allein auf sich gestellt waren Kiwitt und Sänger und Multiinstrumentalist Matthias Albert Sänger bei ihrem Abenteuertrip jedoch nicht. Nico Vetter – bekannt durch Produktionen von unter anderem Captain Planet, City Light Thief, Lygo oder FJØRT – stand ihnen so bei dem Song ´Pina´ zur Seite, weitere Unterstützung kam laut Sänger aus dem Internet:
„Die größte Hilfe war wahrscheinlich Youtube. Da gibt’s mittlerweile so viele Technikhengste, die ihr Nerdwissen gerne mit anderen teilen. Man muss da eigentlich nur noch ausprobieren und in den letzten Jahren hat das unseren Produktionsablauf enorm weitergebracht.“
„Wir haben enormen Spaß daran, die Instrumente einzuspielen und uns darin zu verbessern, weiterzuentwickeln und neue Sounds zu entdecken“, führt er fort. „Oft entstehen unsere Songs auch erst durchs Rumprobieren an den Gitarren, am Bass und am Synthesizer. Es steckt kein Kontrolldrang dahinter, alles selbst produzieren zu müssen, es macht einfach nur extrem viel Spaß und ist total befriedigend.“
Und wahrscheinlich könnte es auch niemand so aufnehmen und produzieren, dass Albert Luxus auf lange Sicht damit zufrieden wären. Dafür haben die jungen Männer eine viel zu genaue, wenn auch gleichzeitig ungenaue, Vorstellung davon, was sie überhaupt machen wollen.
„Ich war schon recht früh Queen-Fan, das fing bei mir mit zehn oder elf Jahren an. Meine Schwester kam damals mit der CD ´The Miracle´ nach Hause. Sowas in der Art hatte ich vorher noch nicht gehört und ich war sofort infiziert und musste mir den ganzen restlichen Stoff der Band besorgen. Zu der Zeit habe ich auch angefangen, Gitarre zu spielen“, erinnert sich Sänger. „Von Queen kann ich aber bis heute kein einziges Stück wirklich spielen. Das war immer alles zu komplex und bis auf den letzten Ton durchdacht. Dann kamen die Neunziger mit Grunge-Bands wie StoneTemplePilots, Nirvana, Pearl Jam, Soundgarden. Später dann Radiohead, Beck, The Eels, Ween, dEUS, Sparklehorse – die komplette Indie-Palette. Das waren – oder sind – alles Bands, die im klassischen Popkontext recht unkonventionelle Musik und auch Arrangements schreiben. Daher kommt vielleicht auch unser Hang zu Sounds und Songabläufen, die gängige Strukturen umschiffen. Obwohl die Strukturen unserer Songs ja auch nicht wirklich progressiv oder kompliziert sind – vielleicht einfach nur ein bisschen weniger vorhersehbar.“
„Gerade das Einfache in der Popmusik ist aber das Reizvolle. Man kann in dem simplen Poprahmen durch andere Dinge wie Sound, Produktionstechniken oder schräge Texte punkten. Wir versuchen, uns eher in unserem Schaffen zu limitieren, um unsere Stücke nicht konstruiert kompliziert zu gestalten. Bei den Proben fällt uns aber doch öfter auf, dass die Ideen und Arrangements anscheinend nicht immer so ganz dem Standard entsprechen.“
Die Popmusik wird komplex. Endlich.
Aktuelles Album: Diebe (Backseat)
Foto: Ralph Baiker