„Menschen ertrinken im Mittelmeer, sterben in der Wüste auf der Flucht. Überall sind Kriege, es werden Bomben auf Kinder geworfen – und die Leute ziehen sich eine Line und dancen im Club auf irgendeine Elektro-Musik.“ Im Gespräch ist es David Schumann deutlich anzumerken, wie er versucht, ruhig und sachlich zu bleiben, sich nicht in Rage zu reden.
Ganz gelingt ihm das allerdings nicht. Der immer stärker ausufernde gesellschaftliche Egoismus ärgert den KMPFSPRT-Gitarristen immens.„Die Welt steht in Flammen, unsere Generation interessiert sich aber nur für ein schönes Selfie bei Instagram“, fasst er seine Beobachtungen zusammen – ein direkter textlicher Bezug auf ´Trümmer´ vom neuen Album ´Gaijin´ der Kölner.
„Was im Rest der Welt passiert, ist mir eigentlich egal. Ich muss selbst erst noch erzählen, wie die Yoga-Stunde war“, heißt es dort. Worte unterlegt mit der Art hartem Punkrock, die man von KMPFSPRT seit Jahren gewohnt ist – ebenso wie ihre Kritik an Gesellschaft und Politik, mit der sich das Quartett erneut nicht zurückhält, sondern sie zum Thema ihres dritten Langspielers macht.
“´Gaijin´ ist das Produkt einer Welt, die man nicht mehr versteht und von der man kein Teil mehr sein will, wenn überall nur noch Hass und Ignoranz und Dummheit herrschen. Es ist eine Momentaufnahme von den Dingen, die gerade falsch laufen. Und ein Album, das diejenigen feiert, die dagegen aufstehen und sagen „wir sind Freunde, keine Gegner, lasst uns zusammen solidarisch sein“.“
´Gaijin´ ist dabei aber keineswegs eine reine Sammlung an niedergeschriebenen Beobachtungen, sondern teilweise auch autobiografisch. Vor Jahren hat Schumann als Japanologie-Student in Tokio gelebt, wollte eigentlich nur ein Jahr bleiben, aus welchem dann jedoch zwei wurden. Sein Leben rund um Studium, Arbeit, Musik, Bands und das Modeln hat er schließlich in seinem Buch ´Tokyo Diaries´ zusammengefasst – ebenso wie seine Erfahrungen, ein Ausländer zu sein.
„Zumindest optisch bist du in Deutschland der gesellschaftliche Main- stream. Wenn du auf einmal in einem anderen Land lebst, auf einem anderen Kontinent, wo die Menschen anders aussehen als du und du nur wegen deiner Hautfarbe immer auffällst, merkst du, was es bedeutet, nicht dazuzugehören. Es ist eine sehr prägende Erfahrung, dass Leute es einfach nicht schaffen, nur den Menschen zu sehen und immer auf Sachen wie die Hautfarbe gucken. Die ganze Welt spaltet sich auf. Die Menschen leben immer mehr gegeneinander und immer weniger miteinander – dabei sind wir doch alle Gaijin. Wir sind alle Außenseiter, wir sind alle Ausländer.“
´Gaijin´ macht dies wohl zu ihrem bislang persönlichstem Album – trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Hindernisse, mit denen sich die Band auseinandersetzen musste. Wie die Tradition des stetigen Schlagzeugerwechsels.
„Wenn jemand sagt, dass er aufhört, steht man vor dem Scherbenhaufen seiner Existenz. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen werden“, kommentiert Schumann. „Weil wir aber selber so motiviert sind, gab es für uns nie die Option, dass wir ebenfalls aufhören. Nach dem ersten Schock haben wir uns immer den Mund abgewischt und weitergemacht. In unserem Freundeskreis machen viele Musik und Daniel Plotzki war auch schon der Schlagzeuger von Richards und Dennis‘ alter Band Fire In The Attic. Wir wussten dadurch schon, wen wir mit Plotzki bekommen. Dass er ein sehr guter Schlagzeuger ist. Jemand, der mitmacht und kein Ego hat, sondern sich in den Dienst der Truppe stellt. Auf Plotzki kann man sich verlassen.“
Trotz Hürden, Hindernisse und genug Grund für Wut bleiben KMPFSPRT noch immer positiv. Vielleicht können sie nun sogar den Fluch brechen und mit ihrem neuen Mitglied mehr als nur ein Album veröffentlichen.
Aktuelles Album: Gaijin (People Like You)
Foto: Michael Winkler