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MAECKES

Meister der Metapher

MAECKES

Man kennt Maeckes als ? der Orsons. Man kennt ihn auch als Kollaborator von Orsons-Kollege Bartek alias Plan B. Manche kennen Ihn als Markus Winter. Und noch viel mehr Leute werden ihn als einen der wandelbarsten Rapper der jüngsten Zeit wahrnehmen. Maeckes ist dabei, den deutschen Rap aufzubrechen und neu zu pflastern, intelligent und technisch beschlagen, ideenreich und wohldosiert. Nun kommt ´Tilt´. Und wie sollte es anders sein... es ist nicht irgendein Rap-Album geworden, sondern ein deutliches Zeichen für die Szene und alle, die gerne mal ein Ohr riskieren.

Drehen wir die Uhr kurz zurück: Knapp zehn Jahre ist es nun her, dass der junge Maeckes erstmals auf den Plan tritt und erste Erfolge feiern kann. Einige Mixtapes und Mash-ups später folgte 2010 mit ´Kids´ sein erstes ´richtiges´ Soloalbum, ein Jahr später noch die EP ´Manx´. Im letzten Jahr überraschte er mit einer Gitarrenkonzert-Tour und mischte Schauspiel, Rap und Akustikgitarre zu unterhaltsamen Abenden, die schnell Kultcharakter erreichten. Nun folgt mit ´Tilt´ sein nächstes Soloalbum, das ihn erneut sehr weltoffen und äußerst wandelbar präsentiert. Die Chance, Maeckes hierzu ein paar Fragen zu stellen, konnten wir uns nicht entgehen lassen. Lassen wir den Meister also selber zu Wort kommen und aus dem Nähkästchen der ´Tilt´-Produktion und den Gedanken dahinter plaudern:

Inwiefern haben deine Gitarrenkonzerte die Entstehung von Tilt beeinflusst? Ist das Experiment gelungen und wird es eine Fortsetzung dieses sehr reduzierten Konzert-Konzeptes geben?

„Sehr stark. Ein Gitarrenlied wurde sogar dem Gitarrenkonzerte-Kosmos enthoben und ist zum Track auf ´Tilt´ geworden - ´Gettin’ Jiggy With It´. Ansonsten haben die Gitarrenkonzerte bestimmt meine Art zu Schreiben beeinflusst, was man aber auf diesem Album noch nicht hört. In Zukunft dann. Auch eine Fortsetzung der Gitarrenkonzerte. Wow.“

 Du hast auf dem Album viel gesungen – und das in deiner bekannt charmant-dilettantischen (Verzeihung!) Art. War das geplant oder haben die Tracks hier einfach mehr Melodie diktiert, der Du dich fügen musstest?

„Echt findest du? Ich finde nicht, haha. Das kann schon sein, dass die Musikalität, die dem Album dank Tristan (Brusch – Songwriter und Mitproduzent) inne wohnt, manchmal auch meiner Stimme ein wenig Melodie entlocken wollte. Für mich hat aber ganz klar Rap die Oberhand auf diesem Album.“

Aufgrund der stilistischen Bandbreite gibt es auf ´Tilt´ enorm viel zu entdecken. Du hast das Album auch selbst produziert – wie sehr genießt du die Freiheiten bei einem Soloalbum im Gegensatz zu den Orsons-Produktionen, wo ja zuletzt Tua eher den Steuerknüppel festhielt?

„Also zunächst muss man sagen, dass ich das Album komplett mit Tristan Brusch und Äh,dings produziert habe und es ohne die beiden das Album so nicht geben würde. Freiheit hatte ich dadurch aber dennoch völlige, da Tristan, Äh,dings und ich auf dem selben Film sind, was die Musik angeht. Irgendwie gibt mir aber auch Tua bei den Orsons völlige Freiheit – die Freiheit, nichts tun zu müssen. Da ist es so, dass ich zu Beginn meine Skizzen abgebe und ihm ab dann vertraue. Das ist auch Freiheit.“

Am meisten haben mich die melancholisch-ruhigen Momente des Albums beeindruckt (z. B. ´Mary-Bird-Land´, ´Urlaubsfotograf´, ´Die Alpen´) – dieser Tiefgang, diese Dynamik, dieses Gefühl. Fallen dir solche Themen in der Umsetzung schwerer als z. B. eine sarkastisch-apokalytische Heiter-Weiter-Nummer wie ´Gettin’ Jiggy With It´?

„Nee, ich glaube – so merkwürdig das vielleicht klingt – dass diese melancholisch-ruhigen Momente meine Komfortzone sind, haha. Sollte mir vielleicht auch mal zu denken geben. Humor ist lediglich die neue Komponente, mit der es umzugehen gilt.“

Du malst deinen Hörern mit deinen Metaphern fantastische Bilderserien in den Kopf – hast Du manchmal Angst oder die Befürchtung, missverstanden zu werden?

„Immer und nie. Ich denke, man kann es gar nicht richtig verstehen; Und somit auch nicht falsch. Alles ist offen genug, so dass es für Hörer kein Falsch gibt und geschlossen genug, dass für mich trotzdem alles richtig ist. Man sollte auch nicht Musik machen, um verstanden zu werden, finde ich. Vielleicht dann eher sogar noch, dass sich eventuell die Hörer verstanden fühlen. Wow.“

 Ist ´Urlaubsfotograf´ autobiographisch und wenn ja, was ist mit deinem Vater passiert?

„Es geht in dem Song, einfach um das Gefühl, dass ein Mensch nah dran ist, ohne Teil zu sein – aber es ohne diesen Menschen all das auch gar nicht geben würde. Die Erinnerung, die ein Foto festhält, hätte es ohne den Fotografen nie gegeben. Und manchmal muss sich ein Vater um alles drumherum kümmern: Kühlschrank füllen, Glühbirnen rein schrauben, den Urlaub bezahlen (in dem sich die anderen fotografieren lassen). Was ich sagen will: Manchmal ist man mit dem Drumherum so beschäftigt, dass man nicht mehr teilnimmt im Zentrum des Ganzen. Und das Gefühl trägt der Song in sich. Ist aber kein aktuelles Gefühl in mir, eher ein Relikt, aus einer vergangenen Zeit. Mein Vater ist wohlauf und mittlerweile übrigens auch sehr Fan von meinem Tun. Happy End.“

Wie kam es zum Feature des österreichischen Kabarettisten Josef Hader? Welche Beziehung pflegst Du zu ihm und sind das einfach Samples aus seinem Oeuvre oder gezielte Neuaufnahmen?

„Wir haben uns kennengelernt, nachdem er Gast auf einem meiner Gitarrenkonzerte in Wien war. Daraufhin haben wir eine Zeit lang gegenseitig unsere Vorstellungen besucht und jetzt letztendlich auch mal kollaboriert. Er ist das einzige Feature auf meinem Album und ich bin musikalischer Gast in seinem Regiedebüt. Für mich ist das beides eine sehr große Ehre. Ich bin nach wie vor Fan von ihm. Und das kommt sehr selten vor bei mir, dass ich Fan von irgendwas bin.“

Bist Du historisch gesehen (Kindheit) eher ein Verlierertyp oder was hat Dich zu ´Loser´ inspiriert? Vielleicht die Tatsache, dass viele Eltern Ihre Kinder in jungen Jahren oftmals nicht mehr Kind sein lassen?

„Eigentlich war ich immer eher so der verbissene Gewinnertyp. Für mich handelt der Song auch gar nicht von dieser Art Loser-Sein, sondern eher von der Art, wie man Loser-Sein heutzutage kommuniziert. Nämlich gar nicht. Es ist, als ob das Loser-Sein auf dem Index steht. Es ist fast so wie der Tod. Man redet nicht drüber. Zumindest nicht öffentlich. Öffentlich muss man leben und gewinnen. Wenn man dann aber alleine daheim ist, wird einem bewusst, dass man manche Dinge auch verliert und stirbt. Diesem klammheimlichen Losergefühl eines Jeden wollte ich eine Plattform geben. Ich wollte, dass dieses Gefühl ein Tanz wird. Weil wir sind Loser.“

Die perfekt auf den Punkt gebrachte Textzeile aus dem Chorus von ´Gettin’ Jiggy With It´ – „Das Beste an der Welt sind wir Menschen, das schlechteste der Welt sind wir auch“ – bedrückt mich nachhaltig. Hast Du noch Hoffnung für die Menschheit, dass wir uns und unser Verhältnis zu diesem unserem Planeten noch mal auf die Reihe bekommen?

„Ich weiß nicht, ob wir das mit dem Planeten nochmal auf die Reihe bekommen, aber – so dumm das klingt – ich glaube an eine tiefere Gerechtigkeit. Also nicht falsch verstehen, ich glaube, dass die weltlichen Verhältnisse tief ungerecht sind, aber ganz am Ende das Glück und Unglück, das Auf und Ab, das Zufrieden- und Unzufriedensein, einem anderen, letztlich gerechten System unterliegt. Vielleicht zerbricht der Multimilliardär an seiner Depression, während die Dorfgemeinde den plötzlichen vermeidbaren Kindestod tanzend feiert. Ist jetzt vielleicht ein wenig reißerisch plakativ gegenübergestellt, aber ich hoffe, man versteht, wie ich es grob meine. Also alles gut, haha. Nee, natürlich gleichzeitig nicht alles gut. Ich finde, man muss weiter das Bestmögliche tun, weil andernorts manche das Schlechtestmöglichste tun, nur so wird man irgendwie das Gleichgewicht halten, denn der Mensch wird immer beides tun, wird gut und schlecht sein. Also tu du deinen Teil, tschakka.“

Zum Abschluss: Was ist das Beste und was ist das Schlechteste an Maeckes als Solokünstler?

„Das Beste ist, dass ich ja gar nicht Maeckes bin und das Schlechteste, dass ich es aber manchmal gerne wäre.“

Aktuelles Album: Tilt (Universal) VÖ: 18.11.

Foto: Nico Woerhle

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