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ASTRONAUTALIS

Im Bunde mit Maria Stuart

ASTRONAUTALIS

Die Familienhistorie ist beeindruckend. Bis ins 16. Jahrhundert hinein reichen die Informationen von Andy Bothwells Stammbaum und selbst eine Maria Stuart ist Teil davon. Genug Geschichte und Geschichten also, um das fünfte Album seines Ein-Mann-Projekts Astronautalis gelingen zu lassen. Möchte man meinen und doch verzichtet ´Cut The Body Loose´ fast komplett darauf.

„Ich habe als Songwriter stets davon zehren können und dank meiner Vorfahren immer etwas gehabt, über das ich rappen konnte. Diese Hintertür nun zu schließen, war die größte Herausforderung“, gibt er offen zu und konzentriert sich dieser Tage auf ein nicht minder beeindruckendes Ritual - bei dem Tod, Trauer und Versöhnung nah beieinander liegen.

Hierzulande wirft der Name Astronautalis immer noch Fragen auf. Wer ist dieser Bothwell, der Rap-Alben auf Indie-Labels veröffentlicht? Oder weshalb geht er lieber mit Tegan And Sara auf Tour als mit Kollegen des eigenen Genres? Ganz einfach: Weil Radiohead ihm näher stehen als ein Jay Z.

„In Amerika musst du nicht mehr die gängigen Klischees bedienen, Hip Hop oder Rap haben sich längst anderen Stilen geöffnet. Tourst du aber als US-Rapper durch Europa, denken viele: Moment, wo ist der Grill und das ganze Bling Bling geblieben?“

Fasst Andy Bothwell erheitert zusammen und verliert selbst beim Thema Familienstammbaum die gute Laune nicht – auch dann nicht, wenn es in neun von zehn Gesprächen vorkommt und er damit jedes Mal an das schwierige Verhältnis zu seinem Großvater erinnert wird.

Der seines Zeichens FBI-Agent war und den Vorstellungen entsprach, die Hollywood rund um die Sicherheitsbehörde aufgebaut hat: „Emotionen zeigte eigentlich nie und verbrachte den Ruhestand zum größten Teil in Archiven um die Familienhistorie zu recherchieren.“

Wollte der rappende Enkel also ein paar Stunden mit seinem Opa verbringen, ging dies nur im Zuge langer Erzählungen, wo die Bothwells herkommen und welche Verzweigungen ihr Werdegang beinhaltet. Was jedoch einen positiven Nebeneffekt mit sich brachte, wie man auf Nachfrage erfährt:

„Ich fand das schon beeindruckend und gerade als Teenager fehlten mir oft die Ideen zu Lyrics die nicht nur das eigene Leben behandeln. Grandpas Geschichten von Lords und Baronen, Macht und Liebe sorgten schnell für Inhalte und prägten meine Songs bis zuletzt.“

Höhepunkt der vielen Stories war definitiv die Liebschaft des Vorfahren James Hepburn ´4th Earl of Bothwell´ mit Maria Stuart – über deren Affäre es auf Wikipedia einen in 22 Sprachen übersetzten Eintrag gibt und eine Mordandrohung der nächsten folgt.

Was zugleich ein gutes Stichwort ist und den Bogen zum aktuellen Astronautalis-Album ´Cut The Body Loose´ schlägt. Nicht historisch geprägt allerdings, sondern im heutigen Amerika verankert:

„New Orleans gilt als Hauptstadt des Jazz und alle Lebensbereiche werden davon beeinflusst. Sogar bei Beerdigungen laufen ultra melancholische Songs des Genres und ziehen ein Ritual nach sich, dass selbst Zuschauer zusammenbrechen lässt.“

Gemeint sind die Märsche nach dem Gottesdienst, bei denen die Angehörigen mit dem Sarg des Verstorbenen von der Kirche zum Friedhof ziehen. Immer wieder halten sie an, da Trauer und Schmerz sie überkommen und obwohl ´Cut The Body Loose´ nicht derart erschütternd ist, bedient sich die Platte der Szenerie schon.

„Ich sehe eben keinen autobiographischen Songwriter in mir und denke, dass man mit 34 Jahren kaum die Geschichten eines Bob Dylans erzählen kann“, lacht Bothwell in die düstere Thematik hinein, „mich erwischte halt die richtige Fernseh-Doku zur richtigen Zeit und ich wollte darüber schreiben.“

Erinnert sich ein ungewöhnlicher Rapper, dessen melancholisch-aggressive Songs einmal mehr funktionieren und wieder Radiohead auf den Plan bringen:

„Deren Platte ‚Kid A’ ist mir heilig und ich würde mein letztes Hemd dafür geben. Jay Z erzeugt diese Tiefe nicht, obwohl er gute Alben am Start hat.“

Sagt Bothwell abschließend und ist zufrieden, dass die Lords heute keine Rolle mehr in seiner Familie spielen. Berühmt ist er trotzdem geworden.

Aktuelles Album: Cut The Body Loose (Cargo)



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