Als uns die schottische Singer/Songwriterin Rachel Sermanni vor drei Jahren auf ihrem auch an dieser Stelle in den höchsten Tönen gelobten Erstling ´Under Mountain´ mit bisweilen kindlichem Charme, herbstlicher Melancholie und dennoch tiefgründigen Texten entzückte, war sie kaum 20 Jahre alt. Heute zählt die Folk-Sängerin aus den Highlands Elbow-Frontmann Guy Garvey zu ihren Fans und kann auf Auftritte mit Elvis Costello, Ron Sexsmith, Fink oder John Grant zurückblicken. Mit ´Tied To The Moon´ erscheint dieser Tage ihr neues Album.
Drei Jahre nach ihrem Erstling präsentiert sich Rachel auf dem Nachfolger als gereifte, trotz ihrer jungen Jahre bemerkenswert erwachsene Musikerin, die mit ihrer so ungemein ausdrucksstarken Stimme zugleich inspiriert und berührt. Doch so leichtfüßig selbst ihre nachdenklichsten Songs auch klingen – der sympathischen Schottin ist es richtig schwergefallen, ihr zweites Album fertigzustellen. Ständige Konzertreisen auf beiden Seiten des Atlantiks verhinderten, dass sie den Kopf frei bekam und sich ganz aufs Songwriting konzentrieren konnte. In der Einsamkeit von Nova Scotia in Kanada, zu Gast im Apartment des preisgekrönten Liedermachers Old Man Luedecke, gelang ihr letztes Jahr dann der Durchbruch, den sie rückblickend als ´kreative Explosion´ beschreibt. Mutterseelenallein konnte sie dort nicht nur in Ruhe Pläne schmieden, sondern sie auch in die Tat umsetzen. Die Erfahrung brachte ihr aber nicht nur neue Songs ein.„Inzwischen weiß ich, dass Abgeschiedenheit und echter Freiraum zum Reflektieren ohne die Ablenkung des Internets der Boden sind, auf dem meine Songs am besten gedeihen“, verrät sie, als wir sie am Rande eines Konzerts in Düsseldorf treffen.
Während Rachel ihr Publikum bei ihren Auftritten schon länger am liebsten mit augenzwinkernden Anekdoten fesselt, scheint ihr Humor nun auch in den Liedern des neuen Albums durch. Gleichzeitig wagt sie in puncto Rhythmik und Dynamik mehr und geht so mit deutlich komplexeren Songs wie ´Tractor´ neue Wege, ohne dabei den Pfad des funkelnden Folk Noir je vollends zu verlassen.
„Du wirst mutiger, du hörst mehr Musik, du liest mehr Bücher, all das beeinflusst dich“, versucht Rachel die dezenten, aber dennoch unüberhörbaren Veränderungen zu erklären. „´Tractor´ im Speziellen war das Produkt einer Menge Bücher, die ich gelesen habe, Bücher, die schwer zu lesen waren!“
Doch noch wichtiger als die Songs ist die Performance.
„Letztlich kommt es vor allem darauf an, aus vollem Herzen zu singen“, ist sie überzeugt. „Entweder nimmt dir das eine Last von den Schultern oder es schmerzt – und oft ist es beides gleichzeitig.“
Doch nicht nur Rachels Songwriting hat sich seit dem Debüt gewandelt. Waren auf ´Under Mountains´ noch bis zu neun Musiker zu hören, ist Rachel nach vielen Soloauftritten und Konzerten im Duo mit ihrer Pianistin Jen Austin klar geworden, wie wichtig ihr Minimalismus ist. Für ´Tied To The Moon´ setzte sie zudem auf wesentlich mehr Struktur und arbeitete nur mit einer kleinen Gruppe Musiker zusammen.
„Ich habe festgestellt, dass bei Aufnahmen mit neun Musikern im Studio ein ziemliches geistiges Durcheinander entsteht. Das kann schon sehr anstrengend sein“, erinnert sie sich. „Mit nur vier Musikern und viel klareren Vorgaben war dieses Mal alles sehr viel leichter.“
Doch nicht nur musikalisch hat Rachel die Zügel fest in der Hand. Inzwischen kümmert sie sich auch selbst um ihr Management.
„Das ist ein Riesenprojekt, und wenn ich ganz ehrlich bin, war mir das nicht so bewusst, als ich mich dazu entschieden habe“, gibt sie zu. „Ich mag es allerdings sehr, alle Fäden in der Hand zu haben, und ganz besonders, in direktem Kontakt mit den Menschen zu stehen, die meine Konzerte buchen. Dadurch fühle ich mich viel stärker in der Pflicht – und das macht einen großen Unterschied.“
Aktuelles Album: Tied To The Moon (Middle Of Nowhere /Membran / Sony)
Weitere Infos: www.rachelsermanni.net Foto: Sophie Ramos