Niemand könnte Shara Worden alias My Brightest Diamond vorwerfen, dass sie auf der Stelle träte. Bereits auf ihren ersten beiden Alben zeigte die zierliche Person mit der starken Attitüde eine bemerkenswerte stilistische, emotionale und performancetechnische Bandbreite. Da erscheint es nur logisch, dass sie auf ihrem nun vorliegenden, dritten Album ´All Things Will Unwind´ quasi Nägel mit Köpfen macht, und die neuen Songs komplett für das Avant Garde Kammerorchester yMusic arrangierte – das für seine Zusammenarbeit mit Acts wie Antony & The Johnsons oder Rufus Wainwright auch schon außerhalb der eigentlichen Zielgruppe bekannt ist.
Die Zusammenarbeit mit Streichern und Bläsern scheint Shara auch als Songwriterin beflügelt zu haben, denn das neue Material ist noch komplexer, überraschender, vielschichtiger als bisher. War das also vielleicht genau die Scheibe, die Shara insgeheim immer schon machen wollte?„In gewisser Weise fühle ich mich tatsächlich so – also sehr zufrieden mit dem, was ich gemacht habe“, überlegt Shara, „die Weise wie ich musikalisch vorgegangen bin, war, alles Elektrische zu entfernen. Das heißt aber noch nicht, dass ich tatsächlich schon die Kunstform gefunden habe, die ich eigentlich suche. Ich strebe nämlich einen neuen Weg an, Geschichten zu erzählen und die Perspektive des Geschichten-Erzählens zu erweitern. Ich würde aber sagen, dass ich danach immer noch suche.“
Ist diese Art von musikalischer Zurückhaltung für eine eher expressive Künstlerin wie Shara denn nicht schwierig?
„Ganz und gar nicht, weil alle Noten ja von mir stammten. Es fühlt sich schon wie mein Eigentum an – auch wenn andere Musiker beteiligt waren.“
Ging es musikalisch darum, für jeden Song ein Thema zu finden?
„Ich wollte die großen Geschichte betrachten – weil ich zunächst eine Songwriterin bin“, führt Shara aus, „also schaute ich mir die großen Themen an, die die Menschheit bewegen. Der Beginn der Zeit. Die Flut. Das Ende der Zeit. Der Tod der Sonne. Wir wissen, dass die Sonne und wir selbst ein Mal sterben müssen – wie wirkt sich das also auf unser Denken aus? Darum geht es in 'All Things Will Unwind'.“
Das sind aber ziemlich universelle Themen.
„Ja, es wird ja auch immer alles universeller“, gibt Shara zu bedenken, „die Bürde der Technologie ist ja unter anderem die, dass wir immer mehr Informationen zur Verfügung haben. Ich habe zum Beispiel eines dieser Smart-Phones bekommen – etwas, gegen das ich mich lange gewehrt habe. Aber plötzlich bekomme ich all diese Nachrichten, diese Informationen, zu denen ich bislang keinen Zugang hatte. Ich muss schon sagen, dass das Gewicht der Zeit in der wir leben mir ziemlich immens vorkommt. Für die Philosophie ergibt das die Fragen: Wie leben wir eigentlich heutzutage und was sind unsere Verantwortungen? Was sollen wir tun?“
Wie schafft es Shara denn, angesichts dieser Erkenntnis so hemmungslos optimistisch zu bleiben, dass sie dies sogar zum Thema und zum Titel ihrer neuen Scheibe macht – es wird sich schon alles zum Guten wenden?
„Nun, wenn ich es nicht sagen könnte, dann wäre ich total deprimiert. Meine einzige Chance ist doch, optimistisch zu sein und an die Möglichkeiten dessen zu glauben, was Menschen sein können“, erläutert Shara, „wenn ich nur auf das Leiden und den Missbrauch schaue, dann müsste ich ja verzweifeln. Hoffnung ist aber immer ein Thema für mich.”
Das überträgt sich auch auf den Zuhörer – nur eben in diesem Fall nicht in Form simpler Slogans oder Pop-Songs, sondern als Sammlung anspruchsvoller, kammermusikalischer Kleinkunstwerke.
Aktuelles Album: All Things Will Unwind (Asthmatic Kitty / Cargo)