Kaum das der erste Takt verflogen ist, ist es da. Das magische Feld der Musik von I Am Kloot. Die Stücke sind vielschichtig. Unzweifelhaft. Da ist Ambient. Da ist Folk. Da ist Jazz. Da ist psychedelisches. Das ist gar Sinfonisches. Und am Ende steht immer ein Rocksong, der sich aber im Moment dieser Erkenntnis sofort erweitert. Um eine nicht gekannte Dimension. Eine, die fast physisch spürbar ist. Doch immer, wenn nach ihr gegriffen wird, atomisiert sie sich. Um nach dem Loslassen sogleich wieder da zu sein. Das stachelt den musikalischen Forscher tief in seinem Inneren an. Er will es wissen.
Das Kloot’sche GeheimnisEin musikalischer Dreierpack aus Manchester ist verantwortlich für die unbekannte Dimension: John Bramwell, Andrew Hargreaves und Peter Jobson. Sie sind I Am Kloot. Seit elf Jahren am Start ist das künstlerische Dreieck in sich zusammengefallen und zu einer einzigen Linie verschmolzen. Sie verstehen sich blind. Ihre kreative Kommunikation ist eine eigene. Und erschafft so eine Dimension außerhalb des bisher bekannten musikalischen Koordinatensystems.
„Diese Dimension speist sich aus dem in sich selbst versunkenen und ruhenden Bass-Spiel eines Peter Jobson, der dem Instrument melodische Fähigkeiten verleiht und den Bass manchmal wie ein Gitarrist spielt”, versucht John Bramwell ein hinreichende Erklärung, „oder das federleicht gespielte Schlagzeug von Andrew Hargreaves, der einmal betont jazzig zu Werke geht, um gleich danach loszulegen wie Keith Moon. Und ich schreibe die Stücke einfach, wenn sie kommen. Sie sind ganz unerwartet für mich greifbar. Das, was wir dann gemeinsam entwickeln ist auch gar nicht schwierig. Es sind einfache Akkorde. Jedes Teil eines unserer Lieder für sich genommen, nichts Aufregendes. Aber dann ist sie plötzlich da, diese angesprochene Dimension. Eine Art Geheimnis, etwas Verborgenes, zum dem wir selbst keinen direkten Zugang haben. Aber wir haben es bereits auf dem ersten Album gespürt, etwa bei dem Stück ‚To You’.“
Dieser einzigartige Zusammenklang lässt die musikalischen Eck-punkte des Trio-Dreiecks kurz aufblitzen. Nur für einen kurzen Tonhauch sind sie hörbar, dann bewegen sie sich wieder auf der skizzierten Linie.
„Wir arbeiten nicht expressiv“, weiß John Bramwell, „unsere Kompositionen sind eher als das Gegenteil von Expressivität zu verstehen. Gerade die auf der aktuellen Platte.“
Die Stücke sind aus genau diesem Grund von einer gespannten Intensität und schillernden Komplexität. Dabei ist es die Eleganz von vermeintlichen Kleinigkeiten, denen der stärkste denkbare Zauber innewohnt. Zu dieser Dimension des Zaubers will sich der Forscher vorarbeiten.
Die Kloot’sche Unschuld
Muss aber der Forschergeist unbedingt alles durchdringen? Darf es nicht eine unbekannte Dimension geben, die einfach nur da ist? Da, in ihrem Sosein. Unbekannt. Unberührt. Aber wohltuend wirksam. Würde sie womöglich all das verlieren, wenn sie angetastet würde? Wenn sie betreten würde? Exakt vermessen und von Forscherstiefeln zertrampelt würde? Diese Konjunktive nagen und wollen das Nichtwissen fressen und Wissen übriglassen. Aber verscherzt es sich das Wissen nicht immer mit der Magie der Unschuld? Manchmal aber, muss all das ausgehalten werden, um genau jene Unschuld zu bewahren. Im Falle von I Am Kloot ist es so. Definitiv. Aber ein Geschäft ist denkbar. I Am Kloot liefern noch viele solcher Platten-Perlen ab, wie „Sky At Night“ mal wieder eine ist. Im Gegenzug bleibt das Kloot’sche Geheimnis auf Dauer eins. Die unbekannte Dimension unangetastet. Und die Unschuld paradiesisch.
Aktuelles Album: Sky at Night (PIAS/Rough Trade)