Herrlich! Da googlet man sich sonst so fein etwas zusammen und findet nun zur Abwechslung mal nichts. Zumindest kaum etwas, im Vergleich zu anderen Bandinforecherchereien. Aber das wenige, was man über James Yuill im WWW in Erfahrung bringen kann, klingt spannend. Sehr sogar. Damit gibt es also zwei gute Gründe, das Ganze mal genauer zu betrachten: ein umwerfendes Soloalbum von einem erfrischend unbeschriebenen Blatt.
Aus London kommt er, dieser junge Unbekannte. Und in seinem Innersten müssen zwei Herzen schlagen, eines für Sufjan Stevens und Nick Drake, ein anderes für Justice und Aphex Twin. Vor knapp fünf Jahren wusste selbst James Yuill nur von diesem einen, ersten Herzschlag in seiner Brust, begann er damals doch zunächst mit diesem Puls in London Shows zu spielen. Allein und in erster Linie akustisch, „so diesen Nick Drake-Stuff eben“, wie er selbst fast nebensächlich erwähnt. Schnell bemerkte James zu jenen Zeiten, dass da noch etwas Anderes in ihm pochte. Eine Leidenschaft, der er nicht mit seiner Akustikgitarre kommen konnte. Sie verlangte Beats, Synthetisches und Elektrisierendes. Also rüstete er sein Notebook auf, integrierte es in seine neuen Impulse und nutzte fortan die unerschöpflichen Weiten diverser Computermusikprogramme. So weit, so beliebig und unspektakulär. Aber nichtsdestotrotz: Der Guardian und NME feierten diesen „Nerd“ fortan kräftig ab. Dabei sieht er doch - mit Verlaub - so uncool und unhip aus, kommt so sympathisch stinknormal und unprätentiös herüber. Eine große Brille, keine Frisur, ein paar schiefe Zähne und eine unaufdringliche Lo-Fi-Produktion, made im eigenen Schlafgemach. Ebenda entstand nämlich „Turning Down Water For Air“. Nach der täglichen Arbeit setzte Yuill sich für runde zwei Stunden hin, schrieb und schraubte an seinen Ideen so lange er sich wach halten konnte. Nach drei Monaten war alles aufgenommen, auf seinen Platz gefallen und musste nur noch einen Monat lang nach Feierabend gemixt werden. Was heißt hier eigentlich Feierabend?„Ich habe knapp drei Jahre lang einen Job gehabt, in dem ich für die Werbeindustrie Musik gescoutet habe. Ich wurde vollgeschissen mit CDs, auch von Bands, die hier auf City Slang zum Beispiel erschienen sind übrigens. Schon seltsam, denn nun sitze ich hier bei denen auf der Etage, gebe Interviews und erzähle von meiner Musik.“
Diese Musik ist Lebens- und Liebesgut, von dem „Turning Down Water For Air“ auf intime Weise berichtet. So klingt es, wenn man mit den Dingen abschließt, seinen Job schmeißt, die Liebe versandet und sich auch die Welt in und um einen aufs Heftigste verändert. So geschehen bei James Yuill, dem großen Unbekannten, der in der Tiefe seiner beiden gegensätzlich tickenden Herzen, doch noch eine Konstante benennen kann: Radiohead.
„Diese Band war immer meine größte Inspiration. Ich liebe sie, seitdem ich Musik höre. Und auch wenn ich da allein auf weiter Flur bin, denke ich, dass „Amnesiac“ und „Hail To The Thief“ ihre besten Alben sind. Oder? Ach, diese Frage habe ich mir schon so oft gestellt, ich weiß es nicht!“
Es kommt nicht von ungefähr, dass im Zusammenhang mit diesem hin- und hergerissenen Radiohead-Fan vom Gegensatzpaar Singer/Songwritertum und Club-Elektronik gesprochen wird. Der eingangs nur peripher erwähnte Nick Drake war insbesondere mit „Five Leaves Left“ so wichtig, wie später dann Jackson & His Computer Band. Dieser derzeit in Berlin weilende und an Album Numero zwei schraubende Franzose hat James den Zugang zu seinem in ihm schlummernden Elektronikherz aufgezeigt. Ein Glück, denn im Nachhinein betrachtet, ebnete dies auch den Weg zu Moshi Moshi. James hatte Steven von Moshi Moshi vor geraumer Zeit in Manchester auf irgendeiner Veranstaltung getroffen und ihm eine CD von sich gegeben. Was zunächst laut Steven nicht so richtig das Zeug war, was sie auf ihrem Label veröffentlichen wollen würden, war einige Monate später abgemachte Sache. Grund dafür war James’ zum Ausdruck gebrachte Liebe zu Bands wie Justice und Boys Noize. Denn ein paar Monate später liefen sich Steven und James auf der South By Southwest in Austin erneut über den Weg. Steven sah James zu Boys Noize in der Menge abgehen:
„Er schien überrascht zu sein, dass ich auf diese elektronische Musik total stehe. Und am nächsten Tag sagte er zu mir: ‚Ich glaube, jetzt verstehe ich deine Platte. Lass uns das versuchen.’“
Ein Glück, denn so kann die Welt mal wieder Herzliches zwischen fragilem, melancholischem Singer/Songwriter-Kram und effektvollem Laptop-Hedonismus entdecken. „The Postal Service, in etwas lauter und kräftiger“ , wie James sich selbst erklärt – nur eben weitaus spannender.
Aktuelles Album: Turning Down Water For Air (Moshi Moshi / Coop)