ALEXANDER NYM (Hg.)

(Edition Outbird, 355 S., 17,90 Euro)

Was Herausgeber Alexander Nym in diesem Band versammelt, dürfte schnell zum Standardwerk in Sachen "NSK" werden. NSK? Wer sich fragt (fragen muss), was sich hinter dieser Abkürzung verbirgt, ist hier allerdings falsch, denn ein wenig Hintergrundwissen zur "Neue(n) Slowenische(n) Kunst" sollte man für den vollen LektüreGenuß schon mitbringen. Wobei die insgesamt 11-seitige "Einführung" aus Nyms Feder die Geschichte, das Konzept und die Entwicklung der NSK zunächst einmal sehr gut zusammenfasst. Schon diese "Introduction" ist – wie das ganze Buch - konsequent zweisprachig gedruckt: links der deutsche Text, rechts der englische. Dazwischen zahlreiche Bilder aus dem Laibach-NSK-Archiv. Laibach? Ja, die slowenischen VerwirrungsKünstler und retrogardistischen ÜberIdentifizierer sind sicher die bekannteste NSK-Komponente. Wobei die Wurzeln, Verästelungen und Abspaltungen auch der SchwesterUnternehmungen Irwin (Bildende Kunst), Novi Kollektivizem (Design und Grafik) und Scipion Nasice (genau genommen "Gledališče Sester Scipion Nasice" bzw. später dann auch NOORDUNG, jedenfalls die NSK-Theaterabteilung) genauso wenig zu vernachlässigen sind wie die Sektion Theorie unter Peter Mlakar oder die ab 1992 an wechselnden Orten eröffneten temporären Botschaften des virtuellen NSK-Staats (in den 90ern klebte auch auf meinem alten Renault ein NSK-Nationalitäten-Kennzeichen). Der NSK-Staat – das positiv-totalitäre, zukunftsweisende Organ ohne Territorium, "a state in time"... wir verlieren uns jetzt doch in Erinnerungen und Erklärungen - deshalb: ab S. 36 regieren Theorie und Dokumente diese Anthologie; Manifeste und Redemanuskripte, in denen NSK-Repräsentanten sich an ihr Volk und/oder die Welt wenden. Und das meist in einem höchst verklausulierten, oft bürokratischen Politiker- oder Philosophen-Duktus. Stichwort: ÜberIdentifikation und darüber hinaus (ein Text heißt denn auch: "Der Abgrund der Ultra-Identifikation"). Hier und mehr noch in Teil 2 ("Berichte") geht es neben philosophischen, politischen und staatstheoretischen Exemplifikationen oft auch um (angewandte) NSK-Folk-Art ("Volkskünstler, kennt ihr euren Auftrag?") und Biennalen, um durch Überstempelung zu Kunst und zugleich zu NSK-Staatsanleihen gewordene alte Aktien und KunstPässe, die so echt aussehen, dass sie in den Wirren des Jugoslawienkriegs von manchen für gültige Reisedokumente gehalten wurden – das aber nie objektiv-beschreibend oder gar erklärend, sondern immer aus der höchst subjektiven, (ironisch) affirmativen Haltung eines regulären NSK-Bürgers heraus. Nochmal: Vorkenntnisse sind wünschenswert. Teil 3 trägt den selbsterklärenden Titel "Documents of Liberation" und rundet u.v.a. mit Beiträgen einiger regionaler NSK-Gruppen (die sich z.B. der basalen Frage "Was ist Neue Sorbische Kunst?" widmen) und Antworten(?) auf NSK-FAQs diese wundervolle, wenn auch nicht immer leicht zu goutierende so doch den Lesers keinesfalls dümmer machende TextSammlung ab.
Weitere Infos: www.edition-outbird.de