Mit der Ausstellung „Journey Through A Body“ widmet sich die Kunsthalle Düsseldorf der aktuellen Debatte um Geschlechtsidentitäten und Selbstidentifikation – im Spannungsfeld gesellschaftlich vorgeprägter Heteronormativität und einer zunehmend diversifizierten Köperwahrnehmung. Aus der Perspektive von sechs jungen Künstler*innnen wird dieses komplexe Fragen- und Problemfeld auf sehr verschiedene Weise und in vielfältigen Medien neu verhandelt und zur Diskussion gestellt, auch im Hinblick auf alternative Denk- und Handlungsoptionen. Die ausgestellten Werke stammen von Kate Cooper, Luki von der Gracht, Christina Quarles, Nicole Ruggiero, Tschabalala Self sowie Cajsa von Zeipel.
Nicole Ruggiero, How The Internet Changed My Life, 2021, Fotografie, Virtual Reality, Multimedia / © Nicole Ruggiero, Daniel Sabio, Dylan Banks, Foto: Katja IllnerAbb. unten: Kate Cooper, Infection Drivers, 2018, Video, Leihgabe: Kate Cooper, Foto: Katja Illner
Der Titel der Düsseldorfer Ausstellung ist dem gleichnamigen Musik-Album „Journey Through A Body“ der Industrial-Pioniere von Throbbing Gristle entlehnt. Ursprünglich 1981 in Rom als ein Stück performativer Radio-Kunst entstanden, führt die Gruppe um Mastermind Genesis P-Orridge auf eine verstörend-düstere akustische Reise in die existenziellen Randbereiche von Körper und Psyche. Als Referenz an den im vergangenen Jahr verstorbenen Genesis P-Orridge (1950–2020) verweist der Ausstellungstitel indirekt auch auf dessen radikalen Selbstversuch einer chirurgischen Transformation der eigenen Geschlechtsidentität. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Jacqueline Breyer alias Lady Jaye startete P-Orridge im Jahr 2000 das „Pandrogeny Project“, welches die Erschaffung oder vielmehr die Konvergenz zur gemeinsamen Identität „Breyer-Porridge“ zum Ziel hatte. Dieses Kunstprodukt umfasste gleichermaßen Merkmale von Männlichkeit und Weiblichkeit und sollte auf drastische Weise demonstrieren, dass traditionelle binäre Geschlechtsidentitäten nicht zeitgemäß seien.
Die Künstler*innen der Ausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf sind allesamt erst nach Entstehung des ausstellungstitelgebenden Albums geboren. Sie haben den Wandel ins post/trans/in-humane, post/trans/im-materielle Digitale direkt miterlebt und mitgestaltet und bilden einen Querschnitt durch Lebensentwürfe der heutigen wie zukünftigen Generationen. Gleichzeitig sind Fragen der Geschlechtsidentität und Körperwahrnehmung aktueller und virulenter denn je. Das Problem der Gendergerechtigkeit wird inzwischen als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung wahrgenommen, überkommende heteronormative Vorstellungen zu überwinden. Allerdings ist nicht absehbar, dass diese Herausforderung allein mit der Einführung von sprachlichen Regeln kurzfristig gemeistert werden kann. Vielmehr sind Perspektivwechsel und Optionen nötig, um – auch aus künstlerischer Sicht – neue Umgangsweisen einzuüben bzw. zu erlernen.
Ziel der Ausstellung ist es aufzuzeigen, dass es die vielfältige Suche nach Optionen gibt, welche sich jenseits von hetero- und cis-normativen Vorstellungen der Gesellschaft befinden; dass Gesellschaft und Kultur nicht einfach gegeben sind. Die Besucher*innen sollen berührt und in ihrem Denken über gesellschaftlich eingefahrene Geschlechtszuschreibungen und die damit einhergehenden Stigmata angeregt werden. Hierzu wird ein Spektrum zeitgenössischen Kunstschaffens zwischen beinahe klassisch anmutender Malerei (Christina Quarles), symbolisch-figurativer Textilcollage (Tschabalala Self), expressivsurrealer Bildhauerei (Cajsa von Zeipel), werbungssatirischer Digital Art (Kate Cooper), digitaler VR- und AR-Experience (Nicole Ruggiero) und performativer Installation (Luki von der Gracht) aufgezeigt.
Journey Through A Body schließt inhaltlich mittelbar an die Ausstellung "Real Humans" in der Kunsthalle Düsseldorf an, in der 2015 mit Ian Cheng, Wu Tsang und Jordan Wolfson ebenfalls – aber unter völlig anderen Vorzeichen – nach den Bedingungen des Mensch-Seins gefragt wurde: Was zeichnet den Menschen biologisch und sozio-kulturell aus? Was macht ihn unterscheidbar von anderen Wesen? Wie souverän ist er und welche Kräfte bestimmen sein Handeln, Denken und Selbstverständnis? Die Geschichte hat gezeigt, wie wandel- und veränderbar die menschliche Spezies und unsere Vorstellungen vom Mensch-Sein sind. Was wir als menschlich betrachten, ist eine normative Konvention, die alles andere als statisch ist. Die Ein- und Ausschlüsse, die dadurch produziert werden, sind ebenso wandelbar wie die Grundannahmen, auf denen die Normen beruhen.
Begleitend zur Ausstellung wird ein umfangreiches Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm in Kooperation mit diversen Partner*innen angeboten, in dem sich die Besucher*innen selbst auf diversen Ebenen (von informativ bis interaktiv), in diversen Formaten (Workshops, Performances und Lectures) und in diversen Medien (Tanz, Literatur, Fotografie, Textil, Theater u.a.) mit dem Thema Körper auseinandersetzen können. Journey Through A Body (29.5. – 1.8.2021) Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4 www.kunsthalle-duesseldorf.de/