Seit ihrer ersten Auflage 1977 haben sich die Skulptur Projekte zu einer der weltweit wichtigsten Ausstellungen von Kunst im öffentlichen Raum entwickelt. Die fünfte Auflage der Skulptur Projekte, die am 10. Juni im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster eröffnet wurden, verzeichnet zur Halbzeit nach neun Wochen Laufzeit rund 350.000 Besucher und viel positive Resonanz. Verstreut über das Stadtgebiet gibt es 35 neue Kunstwerke zu entdecken, die sich als ortsspezifisch geplante Projekte mit dem umgebenden Stadtraum auseinander setzen und zugleich wichtige künstlerische und gesellschaftliche Fragestellungen der Zeit thematisieren - im Besonderen das Verhältnis von öffentlichem und privatem Raum in Zeiten zunehmender Digitalisierung.
Links: Gregor Schneider, N. Schmidt, Pferdegasse 19 48143 Münster Deutschland, Foto: Henning RoggeRechts: Barbara Wolff + Katharina Stöver, Peles Empire, Foto: Henning Rogge
Alle 10 Jahre, also jeweils parallel zu jeder zweiten documenta, blickt die internationale Kunstwelt auf Münster. Die westfälische Stadt mit dem hübschen touristischen Bilderbuch-Kern gilt eher als konservativ, beschaulich und ruhig. Indessen sind die Skulptur Projekte zum kulturellen Alleinstellungsmerkmal für Münster mit weltweitem Renommee avanciert. Darauf ist man sichtlich stolz, denn man darf sich auf Augenhöhe mit weltweit bedeutenden Ausstellungsreihen für Gegenwartskunst messen. 2017 gehören die Skulptur Projekte daher selbstverständlich zum Teil des Stadtmarketings und haben auch als Wirtschaftsfaktor Bedeutung. So lockten die Projekte 2007 mehr als eine halbe Million Besucher nach Münster.
Das allgemeine Wohlwollen der Stadt und Publikumsmagneten wie aktuell Ayfle Erkmens Wasser-Steg im Münsteraner Hafen oder der Brunnen von Nicole Eisenman lassen dabei fast die Ursprünge und Motivation der Projekte aus einer historischen Kontroverse vergessen: Als 1975 George Rickeys kinetische Skulptur „Drei rotierende Quadrate“ in Münster aufgestellt wurde, empörten man sich noch über die abstrakte Kunst im öffentlichen Raum. Für Klaus Bußmann, dem damaligen Kustos und späteren Direktor des Westfälischen Landesmuseums, und Kasper König, der seitdem als Kurator jede Ausgabe in unterschiedlichen Teamkonstellationen mitverantwortet, waren dies der Anlass für die gemeinsame Realisierung der ersten Ausstellung der Skulptur Projekte 1977 in Münster.
Die Skulptur Projekte sollten einem breiten Publikum die Auseinandersetzung mit moderner Skulptur im urbanen Lebenskontext als eine Art Selbsterfahrungsprogramm ermöglichen. Kunst sollte Öffentlichkeit im Stadtraum geschaffen werden. Die Idee zum grundlegenden Format spiegelt sich im Namen der Skulptur Projekte: renommierte internationale Künstler werden eingeladen, an einem selbst gewählten Ort innerhalb der Stadt ein künstlerisches Projekt zu entwickeln. Das Spektrum der realisierten Arbeiten reicht dabei von bildhauerischen Positionen bis zu Installationen und Performances, mit denen sich die Kunst in die baulichen, historischen und gesellschaftlichen Kontexte der Stadt einnistet.
Wenngleich die Werke der Skulptur Projekte im Wesentlichen ortsspezifisch und temporär angelegt sind, wurden im Laufe der Ausstellungsgeschichte 35 Kunstwerke von Unternehmen oder der Stadt gekauft und gehören heute quasi zum Stadtinventar, beispielsweise die drei riesigen Billard-Kugeln, die Claes Oldenburg für die erste Schau 1977 geschaffen hat. Dabei ergaben sich im Laufe der Zeit natürliche semantische Verschiebungen und Kontextwechsel, weil sich der umgebende öffentliche Raum verändert hat oder der Zugang zu den Werken Einschränkungen und Umdeutungen erfährt.
Der öffentliche Raum lässt sich auch angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Globalisierung des Lebens längst nicht mehr eindeutig definieren, noch klar gegen lokal-geographische Gegebenheiten einer Stadt abgrenzen. Technologie schafft ein Wurmloch in eine neue, virtualisierte Öffentlichkeit innerhalb der vertrauten Öffentlichkeit. Auch in dieser Hinsicht stellen sich die Skulpturen Projekte 2017 der Herausforderung der Fragen des erweiterten öffentlichen Raums. Die Installationen von Hito Steyerl, Ei Arakawas und Aram Bartholl entmystifizieren in diesem Sinne die Technologie und regen zum kritischen, selbstbestimmten und unabhängigen Umgang mit Technologie an.
Ein anderer Aspekt der Virtualisierung und Umdeutung des öffentlichen Raums ist die „Münster-Marl Connection“. In Kooperation mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl tauschen die ungleichen Städte Marl und Münster gegenseitig Skulpturen aus, begleitet von der Ausstellung „Mock-up“, die sich aus kleinformatigen Modellen aus Münsteraner und Marler Sammlungsbeständen zusammensetzt. Daraus ergibt sich eine spannende Gegenüberstellung zweier radikal unterschiedlicher Entwicklungen im Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum, zwischen Kontinuität und Aufbruch.
Skulptur. Projekte 2017 (-01.10.2017) Veranstalter: LWL-Museum für Kunst und Kultur und die Stadt Münster Eintritt frei Info:www.skulptur-projekte.de