interviews kunst cartoon konserven liesmich.txt filmriss dvd cruiser live reviews stripshow lottofoon

Gillian Wearing

K 20 Kunstsammlung Nordrhein Westfalen Düsseldorf



Mutter, Bruder, Vater – im Werk der britischen Künstlerin und Fotografin Gillian Wearing verschmelzen diverse mit ihr verwandtschaftlich verbundene Personen zu einer einzigen: zu Gillian Wearing. In dem Selbstporträt „Self Portrait as My Father Brian Wearing“ (2003) schaut sie der Kamera direkt ins Gesicht, distanziert, mit schmallippig geschlossenem Mund und drei Haarsträhnen, die in die Stirn fallen. Smoking und Fliege zum weißen Hemd lassen eine Persönlichkeit erstrahlen, die wie für die Ahnengalerie herausgeputzt und porträtiert wurde.

Ähnliches gilt für das „Self Portrait as My Mother Jean Gregory“(2003), die eine bieder in punktierter Bluse gekleidete Frau mit sehr dunklen Haaren und einem fast spöttischen, aber eindeutig verlegenen Lächeln zeigt. Absolut krass und prekär dagegen das „Self Portrait as My Brother Richard Wearing“ (2003): mit freiem Oberkörper, befleckter Jogginghose und Tattoo auf dem rechten Arm schaut „Richard“ mit geneigtem Kopf in die Kamera und kämmt sich seine langen Haare. Gillian Wearings Identitätswechsel versetzt sie nicht nur in die Hülle einer anderen, ihr nahe stehenden Person. Er sorgt auch dafür, daß widerstrebende Charaktere innerhalb einer Familie sich auf einen fokussieren. Dieses „Herunterziehen“ von Persönlichkeiten auf eine Individualposition bedeutet zugleich Rollenspiel und Rollenwechsel.
Diese Art des Familienalbums übersetzte Gillian Wearing auch in jüngeren Arbeiten, in denen sie sich als Metamorphose verstorbener Künstler wie Robert Mapplethorpe, Diane Arbus oder Andy Warhol präsentiert. Sie hinterfragt nicht nur die eigene Identität, in dem sie sich eine fremde aneignet, sie objektiviert auch die Identität anderer durch Okkupation. Gillian Wearing wird mit der umfassenden Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein Westfalen erstmals im deutschsprachigen Raum vorgestellt.
Schon in ihrem frühen Werk „Signs that Say What you Want Them To Say and Not Signs that Say What Someone Else Wants You to Say“ (1992-1993) gestaltete sie in ikonografischer Weise straff und klar gestaltete, auch Widersprücheenthaltende Porträts zufällig ausgewählter Passanten: ein Polizist hält eine Plakat mit der Aufschrift „Help“, ein geschniegelter, offensichtlich erfolgreicher Geschäftsmann hält ein Schild mit der Aufschrift „I'm desperate“ (Ich bin hoffnungslos) in die Kamera. „Bully“, ihre jüngste, knapp acht Minuten dauernde Videoarbeit (2010), dagegen verwischt die Rollen der Opfer und der Täter, der Schauspieler und der Regisseure. „Die Kamera lügt“, hat Gillian Wearing einmal in einem Interview geäußert. Die Lüge ist in ihren Arbeiten an der Tagesordnung, und sie versteht es meisterlich, den Lügen den Mantel der Wahrhaftigkeit umzuhängen.
Die Großrauminstallation „Family History“ (2006) der Turner-Preisträgerin von 1997 ist in Düsseldorf erstmals außerhalb Großbritanniens zu sehen. Es handelt sich dabei um einen Film, der als Komponente einer zweiteiligen Installation innerhalb einer Wohnung in Birminghams Stadtzentrum gedreht wurde. Hier bediente sie sich einer der frühesten britischen Reality-TV-Serien: „The Family“ aus dem Jahr 1974. Die jüngste Tochter der Familie Wilkins, Heather, wird von Trisha Goddard interviewt.
Bis 06.01.2013 K 20 Kunstsammlung Nordrhein Westfalen, Grabbeplatz 5, 40213Düsseldorf Tel.: 0211-8381204 Geöffnet: di - fr 10 – 18 Uhr, sa,so, feiertags 11 – 18 Uhr, 24., 25., und 31.12.2012 geschlossen Eintritt: 10/8 Euro Katalog: 29,80 Euro (Verlag Ridinghouse und Verlag der Buchhandlung Walter König)
Weitere Infos: www.kunstsammlung.de


Dezember 2012
Abbas Kiarostami – Stille und bewegte Bilder
Gillian Wearing
‹‹November Februar››