Es scheint, als habe die Solingerin Suzan Köcher ein ganz eigenes Verhältnis zu Zeit und Raum. Als 2017 beispielsweise ihr Debütalbum ´Moon Bordeaux´ erschien, klang es, als habe es dieses schon mindestens 30 Jahre gegeben – einfach deswegen, weil sich Suzan als Songwriterin und Performerin auf sympathisch unaufgeregte Art an den organischen, klassischen Tugenden der Altvorderen orientierte und somit ein betont zeitloses psychedelisches Folkpop-Werk zustande brachte.
Mit dem zweiten Album ´Peaky Blinders´ wollte Suzan nun einen Schritt weitergehen – nicht in Bezug auf die Zeit, sondern in dem Sinne, dass sie dem Umstand Rechnung tragen wollte, dass sie mit ihrem musikalischen Partner Julian Müller und ihren Musikern inzwischen zu einer Band zusammengewachsen war. Deswegen erscheint dieses unter dem neuen Namen Suzan Köcher´s Suprafon. Und damit wären wir bei der räumlichen Dimension angelangt. Denn „Supraphon“ ist der Name des ältesten tschechischen Platten- labels, von dem sich Suzan so inspiriert zeigte, dass sie nicht nur den Bandnamen „Suprafon“ wählte, sondern auf der „B-Seite“ der neuen Scheibe einen Tag in der tschechischen Hauptstadt Prag beschreibt. Und das, obwohl die Scheibe in Solingen konzipiert, aber dann sogar in einem Studio in Texas eingespielt wurde.„Tatsächlich hat sich die Musik aus der dann die Platte entstanden ist, völlig natürlich entwickelt“, berichtet Suzan, „wir hatten dabei - wie auch auf den beiden Vinyl-Seiten zu hören ist - zwei Ansätze. Zum einen hatten wir individuelle Stücke, die auf der ersten Seite gelandet sind und dann hatten wir, nachdem wir 2017 ein Konzert in Prag gegeben haben, die Idee diesen Tag zu vertonen. Wir hatten dort eine sehr schöne Zeit, haben tatsächlich ein paar Tage dort bei unserer Freundin Paula verbracht und die Stadt ein wenig kennen und schätzen gelernt.“
Das erscheint logisch, denn die betreffenden Titel tragen dann auch tschechische Namen. Wie aber kommt dann Texas ins Spiel?
„Die Idee das Album in Austin, Texas aufzunehmen war anfangs eigentlich eher so dahingesagt“, erinnert sich Suzan, „ich war zusammen mit den Blackberries, der anderen Band von unserem Gitarristen Julian, 2018 dort auf dem SXSW-Festival und wir haben dort Matt Parmenter kennen gelernt. Matt hat uns eingeladen in sein Studio zu kommen und etwas aufzunehmen. Wir sind dann am letzten Abend zu ihm in die Ice Cream Factory Studios gefahren. Irgendwann kam dann der Punkt, wo wir uns gedacht haben 'lass es uns doch einfach machen.' So kam es dann, dass wir unter anderem eine Song-Suite über Prag in texanischem Sommer aufgenommen haben.“
Woran orientieren sich denn die Titel, die nicht zur „Suprafon-Suite“ gehören. ´Peaky Blinders´, bezieht sich auf die gleichnamige Fernsehserie, oder?
„Der Text von 'Peaky Blinders' ist tatsächlich von der Serie inspiriert“, bestätigt Suzan, „im ersten Teil wird die allgemeine Szenerie beschrieben, während der zweite Teil aus Sicht von Grace geschrieben ist, die sich an Thomas Shelby richtet und ihm nahelegt, gemeinsam ein neues Leben anzufangen. Generell stammen die Texte der Platte von Julian und mir und wir haben verschiedene Ansätze. Er schreibt etwas strukturiertere und deutlichere Texte, während ich eher assoziativ und spontaner vorgehe.“
Wie sieht Suzan Köcher denn ihre musikalische Entwicklung von der „Solo-Künstlerin“ hin zu einer Band mit Frontfrau?
„'Moon Bordeaux' war im Vergleich zu 'Suprafon' eine Art Testlauf, bei dem wir noch in verschiedenere Richtungen probiert haben, um zu schauen, was am besten zu uns passt“, beschreibt Suzan die Entwicklung, „gerade live haben wir dann aber gemerkt, welche Elemente und Songs von ´Moon Bordeaux´ am wichtigsten für den Charakter der Band sind. Diese Erfahrungen haben dann auch die Grundlage für die neuen Songs gebildet. Klar war uns, dass wir den Band- und Live-Sound diesmal deutlicher einfangen wollten. Der Folk-Aspekt ist dabei eher in den Hintergrund getreten.“
Aktuelles Album: Suprafon (Unique / Groove Attack)
Foto: Christobal Jurado