Mit ihrem Debüt-Album ´Child Bride´ überraschte Hannah Cohen vor einigen Jahren – scheinbar – als neue Folkpop-Queen; einfach indem sie alle Facetten des Genres souverän bediente und sich zudem als kompetente Songwriterin und Performerin empfahl. Nun liegt mit ´Pleasure Boy´ ein Album vor, das musikalisch unterschiedlicher nicht sein könnte:
Unter dem Eindruck einer schwierigen Trennung, die es – wohl auch musikalisch – zu verarbeiten galt, entschied sich Hannah für das musikalische Äquivalent einer neuen Frisur und präsentiert ihr zweiten Album nun als – zwar organisches - keyboardlastiges E-Pop-Werk irgendwo zwischen New-Wave, Dreampop und Shoegazing-Sound. Wie passt das denn ins Bild?„Ich wollte einfach keine weiteres Album eines traurigen Mädchens machen, dass über seine Gitarre gebeugt Folksongs singt“, erklärt Hannah. Dabei begannen auch die neuen Songs zunächst ihren Lebenszyklus auf einer Gitarre, oder?
„Ja, ich schrieb die Songs hauptsächlich auf der Gitarre“, bestätigt Hannah, „dann kamen aber die Keyboards und Synthies ins Spiel und die Sache ging dann in eine andere Richtung.“
Daran war wohl auch Produzent Thomas Bartlett (a.k.a. Doveman), der sowohl Hannahs erstes wie auch dieses zweite Album betreut hatte und der selbst als Musiker mitspielt, nicht ganz unschuldig, nicht wahr?
„Ja, für mich war das Ganze eine ganz natürliche Entwicklung, die sich da vollzog“, berichtet Hannah, „ich hatte mehr dazu zu sagen, wie die Sache klingen sollte und legte Wert auf eine Kollaboration mit Thomas Bartlett. 'Pleasure Boy' ist das Ergebnis dieses Prozesses, bei dem wir einfach im Studio verschwanden und niemanden um Rat fragten. Wir haben die Songs erst unseren Freunden vorgespielt, als wir sie schon gemastered hatten.“ Das ist in der Tat sehr definitiv, denn nach dem Mastern kann man nichts mehr ändern. Wer ist denn der besungene Lustknabe?
„Nun, 'Pleasure Boy' wurde zu einem Thema und einem Charakter während des Aufnahme-Prozesses“, erinnert sich Hannah, „für mich ist es aber auch eine Art Gefühlszustand. Ich bin aber selbst noch dabei, herauszufinden, worum es eigentlich geht - zu gutmütig zu sein, Geheimnisse zu haben, zu beobachten, helfen zu wollen, weggehen zu wollen, zu sehr zu lieben … es sind zu viele Dinge ...“
Was war dabei die musikalische Inspiration für die neuen Songs? Diese besitzen ja eine Art traumähnlicher, unwirkliche Atmosphäre im Stile verdrehter, klassischer Pop-Torch-Songs.
„Hm – ich finde es immer schwer zu beschreiben, was meine Musik eigentlich ist“, meint Hannah, „aber ich denke, ich habe jetzt meine Antwort gefunden: ' verdrehter, klassischer Torch-Song Pop'. Dankeschön dafür!“
Ist es dabei eigentlich beabsichtigt, dass man sich als Zuhörer nie ganz sicher sein kann, woher die gehörten Klänge eigentlich stammen, bzw. wie diese erzeugt werden?
„Wir haben viel Zeit damit verbracht, Klänge zu schichten“, berichtet Hannah, „wir haben Pads aus Synthies und Streichern gemacht und auch Stimmen da hineingemischt. Es ist eine Art Dream-Space geworden … und zuweilen auch ein Albtraum.“
Das aber wohl eher im Übertragenen Sinne, denn auch wenn die neuen Songs weniger unschuldig und ätherisch daherkommen, als jene auf ´Child Bride´, ist Hannah ihrem Stil als Songwriterin mit einem Händchen für ungewöhnliche Melodien eigentlich treu geblieben.
Wie das musikalische Leben der Hannah Cohen weitergehen wird, steht aber noch nicht fest - es ist zu früh, dazu etwas zu sagen, meint sie. Das gibt dem Zuhörer dann aber andererseits auch die Gelegenheit, zunächst ein Mal die ´neue´ Hannah Cohen entdecken zu können.
Aktuelles Album: Pleasure Boy (Bella Union / PIAS / Cooperative) Vö: 27.03.