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ERIK COHEN

"Papa, ist das auch Queen?"

ERIK COHEN

Die allmorgendliche Fahrt zum Kindergarten nahm eine besondere Wendung, als mein Filius nach den ersten paar Takten der im Player befindlichen Scheibe eben diese Frage stellte. Ja, es lief ´III´ von Erik Cohen und das wohlwollende Nicken des Vorschulkinds und das dazugehörige Lächeln ließ pure Zufriedenheit erahnen. Ja, der Junge schätzt in seinem juvenilen Alter gute Rockmusik und wirkte nicht mal sonderlich überrascht über die Qualitäten des neuen Erik Cohen-Albums. Denn nicht nur Freddy und Konsorten wussten die großen Hymnen zu zelebrieren...

Im Gegenteil: Auch in Kiel weiß man sehr wohl, wie große Rockmusik abseits von Klischees und Standards gelebt werden muss. Die kleine Anekdote zur ehrlichen Meinung eines 5-jährigen lässt Erik Cohen hörbar strahlen. Sein drittes Album steht in den Startlöchern – und die eingeschlagene Linie der ersten beiden Alben wird erneut stringent und hochklassig fortgeführt. Alle zwei Jahre erschien ein neues Erik Cohen-Album – und jedes war auf seine eigene Art und Weise überraschend. Und eine Herausforderung.

„Mal sehen, ob ich die Schlagzahl beibehalten kann. Ist schon ein hartes Tempo, das wir mit Erik Cohen gegangen sind. Es hinterlässt schon Spuren, aber es macht ja immer noch Spaß! Solange die Leidenschaft da ist, werde ich auch nicht still stehen.“

Sagt einer, der als inzwischen fünffacher Vater sein Hobby eigentlich nur noch Abends und am Wochenende ausleben kann. Dennoch ging das neue Album recht leicht von der Hand, wie Erik berichtet. Und das kann man durchaus hören.

„Auf den ersten beiden Alben wurde eher Song für Song gearbeitet, an manchen gar bis zu ein Jahr lang. Jetzt lief es eher klassisch: Band steht im Proberaum, trinkt ein paar Bier und los geht's! Wir haben alle genau so gespielt, wie wir uns am wohlsten fühlen. Und wir haben genau das gespielt, worauf wir Bock haben und was wir auch am besten können – und das haben wir dann gebündelt aufs Album gepackt und uns gar nicht zu viele Gedanken gemacht. Wie eine echte Rock´n´Roll-Band...“

Genau das scheint der Schlüssel zum Glück zu sein: An den entscheidenden Stellen verlieren sich die Songs nicht in Versuchen, den Sound neu zu erfinden oder anderen Experimenten, sondern sind geradeheraus, im besten Sinne simpel und dadurch auch gut zu konsumieren. Zudem merkt man, dass sich Erik Cohen in der Nische, der er und die seinen geschaffen haben, sichtlich wohlfühlt.

„Ich habe schon eine Sprache, die kann man mit keinem anderen deutschsprachigen Act vergleichen. Das ist ein Entwurf, den gibt’s so nicht noch mal – genau das, wo ich hin wollte. Dazu noch das organische Wachstum, dass mit jeder Platte und jedem Konzert ein paar Leute hinzukommen, die die Sache voll und ganz aufsaugen. Ich trampel ja jetzt nicht mit Elefantenschritten durch die deutschsprachige Musikgeschichte, sondern ein stetiges und angenehmes Wachstum. Das macht es auch mir sehr sympathisch.“

Sympathisch ist auch Eriks Umgang mit der deutschen Sprache, in der er nach langen Jahren Smoke Blow und Genepool auf englisch wirklich angekommen zu sein scheint.

„Ja, es fällt mir richtig leicht und ist sehr angenehm, es fühlt sich richtig gut an, auf deutsch zu schreiben. Ich glaube, die Songs sind relativ leicht verständlich, trotzdem leicht kryptisch und vielfältig auslegbar. Man kann halt auch noch seine eigene Story reininterpretieren, das macht es so interessant. Und es ist nicht so kunstvoll aufgesetzt, sondern spiegelt eher ein bisschen Straßenromantik wider, ein kleines bisschen Oi!, ein bisschen Outlaw-Feeling. Wo andere versuchen, möglichst gut in erfolgversprechende Schablonen reinzupassen, ist Erik Cohens Schablone ziemlich groß, da passt viel rein.“

Damit das so möglich bleibt, müssen alle Rädchen ineinander greifen – eine Tatsache, die unweigerlich dazugehört, aber die Hingabe kaum mindert.

„Ohne gesundes Netzwerk und ohne Leute, die das auch aus Liebhaber-Gründen machen, geht es nicht. Das ist Freizeit und Spaß, und darum geht’s bei der Sache aus. Natürlich muss es am Ende auch finanzierbar sein, es geht nicht, dass man da am Ende noch bei draufzahlt. Solange da Leute sind, die auch Spaß daran haben, die Platten kaufen und zu den Konzerten kommen, dann ist alles gut, dann kann man damit arbeiten.“

Natürlich will das auch gut geplant sein – wie die Wochenend-Konzerte, die auf den Album-Release folgen. Bereits Monate vorher wurde die Werbetrommel dafür gerührt – und die ersten Konzerte sind schon zum Interview-Termin kurz davor, ausverkauft zu werden.

„Wir planen immer, es geht gar nicht anders. Seinen Job zu schmeissen und den großen Musiker-Zampano zu spielen, kann sich doch keiner von uns mehr erlauben. Wir machen das, was wir machen, um uns damit glücklich zu machen. Es ist wirklich ein gutes Gefühl, eigenständig ein solches Produkt geschaffen zu haben.“

Zudem eröffnet ein neues Album auch für die Zukunft neue Möglichkeiten, die allen Beteiligten zu Gute kommen.

„Mit der neuen Platte hält auch ein neues Tempo Einzug in die Live-Setlisten. Wer hat schon so ne Vita, wo am Anfang ne Stadionrock-Scheibe steht und das dritte Album eher so eine straighte Rockplatte ist? Neben schwermütigeren Songs wie ´Chrom´ oder ´Dirigent´ haben wir jetzt auch schön treibende, nach vorne peitschende Songs im Programm. Wenn du das gut durchmischst, kannst du ne richtig gewaltige Rockshow auf die Bretter legen – und das mit den einfachsten Mitteln: Schlagzeug, Bass, Gitarre, Gesang!“

Wir sagen: Hingehen, anschauen, überraschen lassen – und vielleicht auch so ein kleines, feines Queen-Erlebnis mitnehmen. Den Moment, von dem man sagen kann, dass man einfach weggerockt wurde.

Aktuelles Album: III (RYL NKR Recordings / Rough Trade)

Foto: Frank Peter

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