Instanz und Legende zugleich. The Adicts prägen den Punk seit mehr als 30 Jahren und veröffentlichen mit ´And It Was So!´ dieser Tage ein Album, das Rückbesinnung und Ausblick in einem ist. „Wir haben nie vergessen, wo wir herkommen“, erklärt Frontmann Keith ´Monkey´ Warren und freut sich darüber wie ein Teenager auf Klassenfahrt: „Natürlich schlaucht das Bandleben manchmal und ist keineswegs mit einem regulären 9-to-5 Job zu vergleichen. Aber deswegen machen wir all das, weil es trotz der Strapazen unfassbar viel Spaß bereitet ein Teil davon zu sein.“
Was versöhnlich klingt, allerdings keinen Einfluss auf die neuen Songs ausübt. Im positiven Sinne wohlgemerkt, wirken die Englänger mit einem Haufen an Geschichte energiegeladen wie eh und je – ganz so, als wäre das Alter nur eine flüchtige Hausnummer und kein Grund leiser zu werden.Spätestens Mitte der Achtziger wurden The Adicts zu dem, was sie heute sind: Eine Formation, die fast konkurrenzlos den eigenen Stil pflegt – den zu kopieren kaum jemand in der Lage scheint.
Sogar vereinzelte Chartplatzierungen sprangen für sie heraus und wie besonders das innerhalb eines Genres namens Punk ist, weiß die Band zweifelsohne zu schätzen:
„Es ist immer toll, wenn du ein großes Publikum erreichst und Leute deine Songs hören, die vielleicht noch nie über Dinge, die uns am Herzen liegen, nachgedacht haben“, erklärt das aus dem verschlafenen Ipswich in England stammende Fünfergespann und war sich stets der Gefahren des Erfolgs bewusst, wie ihr Chef Keith Warren betont.
„Sich durch den Erfolg nicht verbiegen zu lassen, ist leichter gesagt als getan. Niemand von uns hat das ganze jemals als Hobby betrieben – wir leben von der Musik. Da muss man auf der Hut sein und schauen, was für dich als Punk klargeht und worauf du tunlichst verzichten solltest.“
Vor allem sich selbst sind The Adicts treu geblieben. Was freilich wie eine abgedroschene Floskel klingt, in diesem konkreten Fall aber stimmt: Fast alle Mitglieder aus den Anfangstagen sind noch an Bord und wurden im Gegensatz zu den üblichen Marktmechanismen nicht nacheinander ausgetauscht.
Nur als Kollektiv funktioniere das Ganze und obwohl viele an der Erfolgsformel interessiert seien, könne niemand erklären, worin diese liegt: „Wir reden halt viel miteinander, können uns aber auch aus dem Weg gehen. Wie bei einem alten Ehepaar merkt jeder von uns, wann es dem anderen reicht und er seine Ruhe braucht.“
Die aktuell nur schwer einkehren dürfte. Mit ´And It Was So!´ steht ein neues Album in den Startlöchern und feierte bereits einige Live-Premieren, wie man auf Nachfrage erfährt: „Wir hatten im Sommer mehrere Festival-Gigs und obwohl es keine normalen Konzerte sind, wollten wir den Leuten vor der Bühne Kostproben der Platte geben.“
Ein Risiko mit Happy End, denn obwohl das Publikum zwischen Wald und Wiese meist nur die Hits hören will, kamen die taufrischen Tracks erstaunlich gut an – hielten dem Tempo stand und müssen sich auch abseits der Bühne kaum verstecken. Mit wuchtigen Riffs und blitzschnellen Drums macht The Adicts weiterhin niemand etwas vor.
Wobei ihnen maßgeblich die eigene Vergangenheit weiterhalf, wie Warren betont: „Ich höre unsere frühen Songs eigentlich nur zum Zwecke von Tourneeproben. Siehst du anschließend die Hallen ausrasten, wird dir schnell klar: Da stehen Leute, die ganz konkrete Momente in ihrem Leben mit unseren Sachen verbinden.“
Diesen Ansatz habe man während der aktuellen Aufnahmen kontinuierlich verfolgt. Was schon eine Herausforderung darstellte: „Du kannst Kreativität nicht erzwingen. Entweder springt der Funke im Studio über oder eben nicht. Uns half dieses Mal die eigene Geschichte und der Zuspruch der Fans von mehr als drei Jahrzehnten.“
Müde ist also niemand von ihnen und doch stellt sich die Frage, wo The Adicts in zehn Jahren stehen: Immer noch auf den Brettern die die Welt bedeuten oder doch sitzend auf der Veranda im Schaukelstuhl hin und her wippend?
„Ein Vorteil bei uns ist definitiv das Make-Up. Wir können die ganzen Falten überschminken und so tun als hätten wir gerade unser Debüt rausgebracht“, bekommt man lachend als Antwort zurück und glaubt es gar, so sympathisch und selbstkritisch diese Band sich gibt.
Immerhin sind The Adicts in all der Zeit keinen kommerziellen Verlockungen anheimgefallen und lehnten nach dem Erfolg ihres 1981 veröffentlichten Debüts ´Songs of Praise´ sogar einen Deal mit dem Branchenriesen Warner Music ab, obwohl ein Vertrag über gleich zwei Alben winkte.
Man habe solche Sachen meist intuitiv entschieden, so Keith Warren und bislang nicht eine Entscheidung bereut – wenngleich viele nur aufgrund des Bauchgefühl gefällt wurden.
„Je länger du dabei bist, je öfter siehst du Bands kommen und gehen. Uns war es wichtig zu bleiben und dafür alles zu geben.“
Mit ´And It Was So!´ wird der Katalog nun erweitert und ein neues Kapitel beginnt. Die ersten Reaktionen lassen auf einen Erfolg hoffen und nehmen allen Beteiligten ein bisschen die Nervosität von den Schultern. Ganz verschwinden wird sie aber nie und das sei auch gut:
„Sobald du nicht mehr aufgeregt bist, ist der Ofen aus. Satt und zufrieden fehlt dir einfach der Appetit auf mehr – was okay ist, aber jedem von uns zu langweilig erscheint. Dann tourst du irgendwann nur noch mit den alten Sachen durch die Gegend und hast deinem Publikum nichts Neues zu sagen.“
The Adicts wagen den Sprung ins kalte Wasser erneut, müssen aber nicht besorgt sein angesichts des hohen Niveaus, auf denen die neuen Tracks sich bewegen. Einige Rohversionen stammen sogar noch aus den Siebzigern und wurden von analogen Tapes ins Jahr 2017 gebeamt. Erstaunlich, wie selbstständig sie sich ins neue Album einfügen.
Was ´And It Was So!´ nun noch fehlt: Eine Tour und ein Publikum, das die Platte Live genauso feiert wie die Band selbst. Instanz und Legende, ohne Ende.
Aktuelles Album: And It Was So! (Arising Empire / Nuclear Blast / Warner)
Foto: Jason Cook