Schon seit den frühen 90ern gibt sich die Band um die beiden Köpfe Rupert Mould und Dave „Clandestine“ Ein aus dem englischen Bristol sehr weltoffen. Stets wurden Aspekte globaler World Music mit knackigen Urban Grooves versetzt und in die Moderne transportiert. Bewegung ist das Stichwort und so steht auch der neue Longplayer „Urban Evacuation“ aus der „500cc revolutionary“-Reihe im Zeichen rhythmisch unterstützter Messages, die von purer Wut bis hin zur ermutigenden Stimme reichen und vollends positiv ausgerichtet sind. Grund genug, den Hintergrund dieses sprituell angehauchten Projekts zu beleuchten und Beatmaster Dave auf den Zahn zu fühlen.
In der Tat besteht Up, Bustle And Out eigentlich nur aus Inspirations- und Poetry-Chef „Senor Rudy“ Mould und Programmierderwisch „Clandestine“ Ein. Die aktuelle Gästeliste vereint mit DJ Mexican, Ras Jabulani, MC Blaze, DJ Dave Cridge, Senora Eugenia Ledesma, Orlando Santos, Cuffy „El Guapo“, Portishead‘s Jim Barr, Andy Hague und vielen anderen eine illustre Mannschaft an klassischen Toasting-Meistern, hervorragenden Vokalisten und Instrumentalisten. Seit den Anfängen arbeitete man beat-orientiert und kam schnell beim britischen Label Ninja Tune unter. Ist heute, da das neue Album deutlich auf Reggae und verwandte Spielarten fokussiert, der Name und seine ursprüngliche Bedeutung noch Programm? „Wenn ich mich recht erinnere, wollten wir ein Gefühl von wahnsinnig kreativer Aktivität erzeugen, das wir auch heute noch in uns tragen. Ich vermute, dass wir aussagen wollten, dass wir uns nicht von vorher erdachten Ideen über Musik und Texte einschränken lassen konnten, und dass wir freie Kräfte waren, die die Möglichkeiten hatten, Elemente verschiedenster Kulturen zu kombinieren. Ich war immer vorsichtig mit der Aussage, dass Musik kategorisiert werden sollte. Ich glaube, dass alle Sounds eine Mischung aus vorher da gewesenem ist und es keine 100%ige originäre Musik gibt.“ In Deutschland haben Up, Bustle And Out leider noch keinen großen Bekanntheitsgrad erringen können (wenngleich ihre 95er 12 inch „Revolutionary Women Of The Windmill“ geneigten Clubgängern ein Begriff sein sollte), so zeigt doch ein Blick in die Bandgeschichte, dass in den Anfangstagen eher jazzy, bumpy Elektronika und später kubanische Musik Programm war. „Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Philosophie unserer Band grundlegend verändert hat, wir verfolgen immer noch Ideen unserer Frühzeit. Unsere Haltung in Sachen Produktion ist immer noch gleich: Probier‘s aus, wenn‘s klappt, bleib dabei! Lass Dich nicht von der Meinung anderer Leute, was denn in Sachen Musik falsch und was richtig ist, beeinflussen! Unser Stil ist gewachsen, erwachsen geworden und basiert allein auf Erfahrungen. Unsere ersten Alben waren eher so ein Jazz/Sample-Crossover-Ding, es war eine Herausforderung, viele verschiedene Elemente zu kombinieren. Das war für viele Leute sicherlich neuartig in einer Welt voll mit Musik vom Reissbrett. Wir haben auf die einzige Art rebelliert, die wir kannten. Gegen ein musikalisches System, in dem alles perfekt sein muss. Die Kuba-Erfahrung wurde komplett dort geschrieben und aufgenommen und war eine aufregende Exkursion für uns, die die Solidarität mit den Bewohnern der Insel ausdrückte. Das war auch ein Abstecher von unseren musikalischen Wurzeln weg, ich fühle aber, dass wir nun mit dem Dub- und Roots-Vibe des neuen Projekts zurück auf unserer alten Linie sind. Für uns ist es eine natürliche Weiterentwicklung. Wir alle lieben Dub, es ist gar nicht so schwer, so etwas selbst zu machen, aber man wird oft von der oberflächlichen Einfachheit dieses Stils getäuscht. Die Produktion macht den Unterschied, daher haben wir auch von jedem Track fünf oder mehr verschiedene Mix-Versionen gemacht. Das ermöglicht es uns, die sehr feinen Effekte der Rhythmen und die großartigen Fähigkeiten unserer Gastmusiker besser hervorzuheben. Wir waren vom Enthusiasmus aller Beteiligten sehr überrascht, es war wie ein Schneeballprinzip: Mehr und mehr Ideen für verschiedene Tracks von all den Musikern aus Jamaika, Kolumbien und Portugal, die bereit waren, mitzuwirken. Wann wird das aufhören, fragte ich mich, als unaufhörlich Tapes mit inspirierenden Vocals in der Post waren.“ Der neue Longplayer klingt fast wie eine komplette Geschichtsstudie jamaikanischer Musik ab den Mitt-70ern: Harmoniegesänge, Reimkultur, Raggamuffin. Dennoch klingt das Ergebnis irgendwie unique (wie passend!). „Wir bestreiten gar nicht, das Jamaika und seine Musik uns stark beeinflusst hat. Wir würden sogar so weit gehen und sagen, dass Dub seiner Zeit unglaublich weit voraus war. Aber was wir fanden, war so appellierend, die großartigen Fähigkeiten von Reggae-Musikern. Der Stil ist so täuschend einfach, aber wenn Du Dich genau damit auseinander setzt, wirst Du die Message, die sie Dir zu vermitteln versuchten, verstehen. Ich hoffe, dass wir dummen Stadtmenschen wenigstens ein kleines bisschen davon einfangen konnten, Themen wie Arbeitslosigkeit, Diskriminierung, Drogen und die Kultur der Straße, die die Originale beeinflusst haben. Auch in unseren Texten kann man Dinge wie Frust über globale und lokale Begebenheiten finden, die wir alle fühlen. Leider sind wir aber nahezu machtlos, Einfluss darauf zu nehmen. Auch ist der Zorn über die Arroganz unserer sogenannten „Führer“ und das Wohlgefallen so vieler Leute auf der ganzen Welt zu spüren. Viel wichtiger ist da die positive Message von Hoffnung für die Zukunft. Um auf die Musik zurück zu kommen, ja, die Instrumentierung ist sehr wichtig, um einen authentischen Sound zu schaffen. Noch wichtiger sind jedoch die Musiker, die so viel kreativen Input in die Tracks einbrachten. So z.B. Cuffy‘s Flamenco-Gitarren auf „Guitar Soldiering“ und „Hasta Luego“, was halt ganz klar nicht jamaikanisch ist, aber wir wollten bewusst experimentieren und es funktionierte. Auch Eugenia‘s Percussion-Tracks haben mächtig Flavour eingebracht, weil Drums alleine manchmal nicht den Rhythmus bestreiten können. Aber die wirklichen Stars sind Ras Jabulani, dessen überragenden, spirituellen Toasting man einfach zuhören muss, da er einfach den Texten die wahre Autorität von Rasta verleiht (nicht verwunderlich, da er in den 70ern mit der Bristol Reggae-Band „Black Roots“ tourte), und der überlebensgroße „DJ“ Mexican, der beweist, dass da so viel mehr sein muss im jamaikanischen Ragga. Wie dem auch sei, als die Aufnahmen dann abgeschlossen waren, kam die nächste Mammut-Aufgabe auf uns zu: das Mischen. Das hat Rudy und mich lange, aber genußreiche Wochen im Studio gekostet. Auf einer Bergspitze gelegen, hat man vom Studio aus einen wunderbaren Blick auf das städtische Treiben von Bristol und alles, was in seinem nebligen Grenzgebiet vor sich geht. Das Kommen und Gehen eines der rauesten und ausgeraubtesten Gebieten der Stadt zu sehen, hat uns eine inspirierende Kulisse für diese Sessions geboten. Wir wollten den Vibe der Originalspuren so glaubhaft wie möglich darstellen, um einen rohen, bedacht unpolierten Sound zu erhalten, mit jeder Menge authentischer „home made“-Effekten und regem Gebrauch der Mute-Knöpfe, um den Sound wirklich auf die Basics zu reduzieren. Der Schlüssel zu dem gesamten Projekt war es, uns in den gleichen Gemütszustand wie die Dub-Meister zu versetzen, jedoch, das muss gesagt werden, ohne sinnesbetäubende Substanzen zur Hilfe zu nehmen.“ Und auch ohne solche Mittelchen hat die Arbeit ihre Wirkung bei den beiden hinterlassen. „Das ganze Ding ist mit dem Support und all den Ermutigungen unserer Freunde viel größer geworden, als wir es uns vorgestellt haben. So groß, dass wir noch ein zweites Album in vergleichbarem Stile planen müssen, um das ganze neue Material unterbringen zu können. Mehr darüber gibt‘s später.“ Wenn das den hiermit vorgelegten Standard hält, wovon bei solcher Arbeitshaltung auszugehen ist, freuen wir uns schon mal im Voraus.Aktuelles Album: Urban Evacuation (Unique/PP Sales/Indigo)
Weitere Infos: www.upbustleandout.co.uk