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CALLEJON

Neues aus der schwarzen Kathedrale

CALLEJON

Genug geschrieen: Callejon schlagen auf ihrem neuen Album ´Fandigo´ ungewohnte Töne an. Düsseldorf ist neuerdings um einen heiligen Ort reicher: Die schwarze Kathedrale. Dort werden allerdings weder Bibelverse zitiert noch schwarze Messen abgehalten – vielmehr handelt es sich um das neue Kreativzentrum der Metalcore-Band.

„Wir hatten das Glück ein großes Fotostudio anmieten zu können, das voll unterkellert ist. Dort haben wir unser eigenes Studio eingerichtet“, sagt Callejon-Sänger Bastian Sobtzick. „Das ist genau das, was wir uns als Band immer gewünscht haben: Einfach in den Keller gehen und an Songs arbeiten können, wann immer man möchte.“

In der schwarzen Kathedrale ist nun auch das neue Album von Callejon entstanden. Es trägt den Titel ´Fandigo´ und klingt anders als alles, was die Band zuvor gemacht hat. „Man kann das schon fast als Stilwechsel bezeichnen“, so Sobtzick. „Uns ist klar, dass einige Leute da nicht mitziehen werden, aber das nehmen wir in Kauf.“

15 Jahre ist es her, dass Callejon in der Metalcore-Szene auftauchten und begannen, sich langsam aber sicher einen Namen zu machen. Ihre letzten drei Alben schafften es hierzulande alle in die Top10 der Charts. Allerdings klangen Callejon nie wütender als auf ihrer letzten Platte ´Wir sind Angst´.

„Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass diese harte Nummer für uns damit zu Ende erzählt ist“, so Sobtzick. „Denn als wir anfingen, neue Songs in dem Stil zu schreiben, waren wir mega gelangweilt von uns selbst.“ Ein neuer Sound musste her. „Wir fragten uns, was wir eigentlich wollen und kamen zu dem Schluss, dass es nur eine Regel gibt: Keine Regeln!“

Die atmosphärischen Flächen, die laut-leise Dynamik, Melodik und das klassische Songwriting, das nun auf ´Fandigo´ zu hören ist, lässt sich damit begründen, dass Callejon sich von Bands und Künstlern wie The Cure, Depeche Mode oder Morrissey beeinflussen ließen. So entstand ihr bisher poppigstes und zugänglichstes Werk. Sobtzick fasste zudem bewusst den Entschluss, nicht mehr die ganze Zeit zu schreien.

„Ich setze das nur noch an Stellen ein, wo es wirklich notwenig ist“, sagt er. „Ich bin echt stolz, dass wir uns getraut haben, das alles so durchzuziehen. Dadurch fühlt es sich wieder an wie ganz früher, als wir die Musik entdeckt haben. Dieses Gefühl tut uns echt gut.“

Doch nicht nur musikalisch haben Callejon sich neu ausgerichtet, sondern auch textlich hebt ´Fandigo´ sich vom Vorgänger ab: Die Wut ist einem Zustand der Ernüchterung gewichen.

„Auf ‚Wir sind Angst’ haben wir den Leuten noch ins Gesicht gebrüllt: Achtung, wenn wir jetzt nichts ändern in unserer Welt, dann passieren schlimme Dinge. Leider haben wir jetzt genau diesen Zustand. Deswegen bringt es nichts, weiter groß Alarm zu schlagen. ‚Fandigo’ ist so gesehen noch negativer und hoffnungsloser.“

Statt sich damit zu beschäftigen, was um ihn herum passiert, blickt Sobtzick mehr in sich hinein: Die Songs handeln davon, wie es sich anfühlt, in dieser Gesellschaft zu leben und mit dem Ist-Zustand der Welt klar zu kommen, um Vergänglichkeit und die Frage, warum wir überhaupt hier sind.

Sein Lieblingsstück ist ´Das gelebte Nichts´. Darin geht Sobtzick mit unserem Selbstoptimierungszwang ins Gericht.

„Es geht um dieses vorgelebte Optimum, das eigentlich kaum erreichbar ist. Selbst wenn du gut in etwas bist, wird dir immer suggeriert, dass es jemanden gibt, der noch besser ist. Das ist doch Bullshit“, sagt er.

„Wie sollen junge Leute ihren eigenen Standpunkt entwickeln oder herausfinden, wer sie sind, wenn sie den ganzen Tag zugeschissen werden mit solchem Müll?“

Es ist übrigens keineswegs so, dass Callejon Misanthropen oder Pessimisten sind – aber es muss ja mal gesagt werden, was schief läuft. „Die Toten Hosen haben damals angefangen mit ‚An Tagen wie diesen’, so Sobtzick. „Dass dieses ‚ist doch egal, heute Nacht ist alles toll’ auf einmal zum Lebensmotto geworden ist, kann ich kaum verkraften. Ich habe nichts dagegen, eine gute Zeit zu haben und zwischendurch mal das gestern und morgen zu vergessen – das ist gut und wichtig. Aber dass das jetzt immer so unreflektiert im Raum steht, halte ich für gefährlich. Das ist nämlich eine Lüge.“ Recht hat er.

Aktuelles Album: Fandigo (PeopleLikeYou)

Foto: Lukas Richter

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