Wer erinnert sich nicht gerne an die Zeiten, als die behäbigen, akustischen Instrumente des Folk plötzlich Geschwindigkeit aufnehmen und in den frühen 1980er-Jahren Bands, wie etwa The Pogues oder The Men They Couldn’t Hang, die Szene aufmischen. Jetzt betritt mit dem jungen Londoner Quintett Sextett Skinny Lister eine Band das Musikgeschehen, die den alten Recken locker Paroli zu bieten vermag.
An jedem Fuchsloch spielen„Wer von seinem Tun überzeugt ist, trägt es in alle Ecken dieser Welt“, lacht Sänger und Gitarrist Dan Heptinstall, „genau so haben wir es gemacht, wir haben etwa in einem Zelt beim japanischen Fuji Rock gespielt oder in der Wüste beim Coachella-Festival.“
Doch auch wenn mal keine 5.000 Zuhörer parat stehen, wie beim Fuji Rock, dann ist das für Skinny Lister erst recht ein Grund aufzuspielen.
„Stimmt, wir schrecken da vor gar nichts zurück und spielen an jedem Fuchsloch. Auf der Ladefläche eines Land Rovers genau so, wie auf den Tischen eines Pub, im Aufzug eines Hotels oder einem kleinen Boot, auf dem wir den Grand Union Kanal von den Midlands nach Camden hinunter schipperten. Oder auf dem Parkplatz einer Plattenfirma, um diese auf uns aufmerksam zu machen“, erinnert sich Sänger und Mandolinenspieler Max Thomas. Aber eins ist bei Skinny Lister-Auftritten durchgängig - Partystimmung ohne Ende. Die wird dann noch dadurch beflügelt, dass eine Rumflasche oder sonstige Flaschen mit hochprozentigem Inhalt ohne Unterlass im Publikum kreisen. Die Party findet jedoch nicht nur im Publikum statt, sondern auch auf der Bühne.
„Wenn wir irgendwo spielen, wo wir schon mal waren, dann schleppen die Leute ihre eigenen Instrumente an“, nimmt Lorna Thomas, die Schwester von Max den Gesprächsfaden auf, „eine Fidel hier, eine Mundharmonika dort und selbst Schlagzeugteile waren schon dabei. Keine Frage, dass wir diese Instrumentalisten auf die Bühnen holen und dann geht der Punk ab.“
Shanties und Speed-Folk
Der harte Kern der Truppe, nämlich Lorna und Max Thomas sind von Kindesbeinen an mit Folk-Klängen beschallt worden.
„Unser Vater George war Radio-DJ für Folkmusik“, erinnert sich Lorna Thomas, „und er schleppte uns mit zu Jahrmärkten. Dort floss das Bier in Strömen und gesungen wurde dort an jeder Ecke.“
Schließlich blieb den Kinder nichts anderes übrig, als die lebhaften Volkstänze Jigs und Reels, zu lernen. Das erste Instrument der Beiden ist das Akkordeon. Als sie sich das dann drauf geschafft haben, rufen sie mit ihrem Vater eine Americana Bluegrass-Combo ins Leben und treten in Pubs auf. und auch zu weihnachtlichen Anlässen. Dan Heptinstall hingegen ist der Sohn eines Fischhändlers aus dem Fischerort Bridlington.
„Als ich mich in Richtung Londom orientierte, hatte ich den Kopf voller Shanties und Seemannslieder“, sagt er, „als ich Lorna und Max traf, warfen wir unsere Klangkosmen zusammen und hatten plötzlich diese urenglische Anmutung. Wir waren nicht so amerikanisch geprägt, wie etwa Mumford & Sons.“
Schnell erkannten Skinny Lister, dass sie schafften, aus allem heraus einen Riesenparty zu starten. Dieses Phänomen bleibt den englischen Festivalmachern nicht verborgen und so spielen sie 2011 so viele Festivals, wie weltweit keine andere Band. Selbst Festival-Platzhirsch Ed Sheeran verweisen sie auf Platz zwei. Es folgen EPs und schließlich 2012 ihr Debüt-Album ´Forge & Flagon´. In dieser Zeit wird ordentlich an der Spielgeschwindigkeit der Stücke gedreht. Speed-Folk lässt grüßen und die Besetzung wird durch Kontrabassist Michael Camino, Schlagzeuger Thom Mills und Sam ´Mule´ Brace an der Gitarre und Konzertina zum Sextett erweitert.
Ein weiterer Konzertmarathon rund um den Globus schweißt die Band weiter zusammen. Mit ihrer zweiten Platte ´Down On Deptford Broadway´ zeigen sie endgültig, wo der Folk-Punk-Hammer heute zu hängen hat. So viel Spielspaß und gute Laune hat ewig keine Band dieses Genres mehr verbreitet.
Aktuelles Album: Down On Deptford Broadway (Xtra Mile Recordings / Indigo)