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LISBETH EXNER

Realitätenhandlung - Neunundvierzig Minuten

LISBETH EXNER

Elster & Salis Wien, 143 S., 18,00 EUR

Ein schmaler Band, der doch Gewicht hat. Klingt platt, ist aber zutreffend, wenn die Wienerin Exner die knappe Stunde schildert, die ein "Vollstrecker" (also ein Gerichtsvollzieher) in einer zwangsweise zu räumenden Wohnung zubringt. Die Tür geöffnet hat nicht etwa die in ihrer ganz eigenen Welt dahindämmernde Mieterin, sondern der unterforderte Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes (dem man im Folgenden durchaus bedenkenswerte Anmerkungen zum (Un)Wesen des Kapitalismus verdankt). Die Wohnungseigentümerin ist gleichfalls zugegen, das Gewissen plagt sie in der unangenehmen Situation schon, aber das ganz private Hemd ist auch ihr näher als die (soziale) Hose. Ein in jeder Hinsicht unterschätzter Mann von einer Spedition veranschlagt die Kosten der Entsorgung und zu guter Letzt ist auch ein(e) Geist(in) mit von der Partie. Die kurzen Kapitel (wenn man die geistreich titulierten Abschnitte des Buchs denn so nennen will) lassen den Leser die Situation durch wechselnde Perspektiven der Protagonisten erleben, was jede Menge Raum für das Hinterfragen von (Vor)Urteilen, Meinungen und Sichtweisen bietet. So hat(te) der Mann vom Gericht ein Alkoholproblem (gleich zu Beginn halluziniert er sich angesichts einer ganz oben auf einem Stapel Zeitschriften und Anzeigeblättchen platzierten einer Weißweinwerbung aus der Wohnung heraus: "Der frische Pfirsichgeschmack versetzt ihm einen schmerzhaften Schlag."), der Spediteur bereut seine kriminelle Vergangenheit (und gerät doch in Versuchung, die herumstehende Flache ordentlichen schottischen Whiskys beiseite zu schaffen), die Geisterfrau bereut ebenfalls, allerdings nur ein ganz kleines bisschen, ihre (Über)Cleverness beim Zusammenkaufen von Immobilien aus jüdischem Vorbesitz und die Besitzerin ist entsetzt, wo sie hier hingeraten ist: "Lauter minderes Menschenmaterial." Kurz: 49 Minuten, die sehr viel über die Welt aussagen, über Besitz-, Macht- und Bildungsverhältnisse, über Menschen. Ach ja, das Vorwort schrieb übrigens Elfriede Jelinek!
Weitere Infos: www.elstersalis.com

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