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Joan Miro "Welt der Monster"

Max Ernst Museum Brühl des LVR



Der Jahrhundertkünstler Joan Miró ist vor allem für seine farbig-leuchtenden Bildwelten berühmt. Vor der unbeirrbaren Heiterkeit und scheinbaren Unbeschwertheit seiner Bilder wirken seine Monsterfiguren auf groteske Weise ambivalent – garstig und komisch zugleich. Die Ausstellung „MIRÓ – Welt der Monster“ im Max Ernst Museum Brühl des LVR widmet sich diesen bizarren Plastiken aus Mirós Spätwerk der sechziger und siebziger Jahren. Gezeigt werden insgesamt 67 Werke, darunter rund 40 bis zu drei Meter hohe Bronzeplastiken, die das Herzstück der Ausstellung bilden.

Links: Joan Miró, Figur, 1970, Bronze, Collection Fondation Marguerite et Aimé Maeght, Saint-Paul – France, ©Successió Miró, VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Rechts: Joan Miró, Weiblicher Torso, 1967, Bronze, Collection Fondation Marguerite et Aimé Maeght, Saint-Paul – France, ©Successió Miró, VG Bild-Kunst, Bonn 2017
„Monstrum“ meint wörtlich übersetzt ein „Mahnzeichen“. Im Mittelalter hat die christliche Theologie das Monstrum als Mahnzeichen für die Gläubigen definiert, das die Gefahren und Folgen eines Abweichens vom rechten Glauben versinnbildlichen sollte. Der missgestaltete Körper, die Abweichung von der idealtypischen Gestalt, ist der hässliche Gegenentwurf zum göttlichen Plan. Jahrhunderte später etabliert Mary Shelley mit ihrem Roman „Frankenstein“ den Begriff des Monsters im allgemeinen Sprachgebrauch; auch hier geht es im Grunde um die Hybris des Menschen und seine monströsen Folgen, wobei das Monster selbst eigentlich weder böse noch gut ist. Überhaupt wimmelt es in der Kulturgeschichte der Menschheit von Ungetümen mit zwiespältigem Charakter und absurdem Äußeren, die wie ein böser Scherz auf die harmonische Schöpfung erscheinen.

Joan Miró, der bereits 1956 nach Mallorca gezogen war, schuf ab 1966 größere Skulpturen aus Bronze, zu denen auch jene Monsterfiguren gehören, die in der Brühler Ausstellung zu sehen sind. Seine Monster sind anthropomorphe Mischwesen, zusammengesetzt aus Fundstücken und ausgedienten Gegenständen, die er wie Ding gewordene Inspirationen assoziativ aufsammelte. Diesen wesentlichen kreativen Prozess hat Miró selbst wie folgt beschrieben: „Das Unbewegliche beeindruckt mich. Diese Flasche, dieses Glas, ein großer Stein an einem verlassenen Strand, diese Dinge bewegen sich nicht, aber meine Phantasie bewegen sie sehr“. Die Phantasie wirkt als autonom schöpferisches Prinzip: „In der Plastik erschaffe ich eine wahrhaft traumhafte Welt lebender Monster.“

Mit kindlicher Fantasie und Spiellust werden die Objet trouvés von ihm miteinander verbunden und zum Leben erweckt. Miró liebte es, die Fundstücke zu immer neuen Figuren zusammenzusetzen. Dann nahm er von ihnen eine Form ab und goss sie in Bronze, die er anschließend häufig bunt bemalte, sodass sie aussehen, als wären sie seinen Bildern entsprungen. Diese ästhetische Brücke zu seinem malerischen Werk wird durch den unmittelbaren Dialog mit ausgewählten Gemälden, Arbeiten auf Papier und einer großformatigen Tapisserie im Kontext der Ausstellung im Max-Ernst-Museum auch verstärkt und in der Ausstellungsarchitektur weitergeführt. So greifen etwa die Sockel für die Bronzen die Grundformen von Mirós Werken wie den Mond, die Schlangenform, das Dreieck und den Kreis auf. Ein Teil der Wände ist zudem in den Farben gestaltet, die Miró oftmals verwendete.

Wie sind die Monsterskulpturen in Bezug auf Mirós Gesamtwerk zu deuten? Handelt es sich um Mahnzeichen, die sich in die scheinbar heitere und heile Phantasie des katalanischen Künstlers eingenistet haben? Oder sind sie bloße Traumfiguren einer heiter-skurrilen Ideenwelt? Der Kunstkritiker Clement Greenberg verortete Mirós Kunst einmal in das Reich des scherzhaft Grotesken und stützte sich dabei auf eine Begriffsdefinition des Grotesken, die der Kunsttheoretiker John Ruskin im 19. Jahrhundert vorgelegt hatte. Das Groteske ist demnach „[k]omponiert aus zwei Elementen, eines lachhaft, das andere erschreckend“. Und tatsächlich wirken Mirós Monster ja eher humorvoll als Angst einflößend. Trotzdem wäre es zu kurz gegriffen, in den monströsen Kreaturen nur spielerische Schöpfungsphantasien zu sehen.

Miró war schweigsam und seine Weltsicht durchaus pessimistisch geprägt. Die poetisch-heiteren Verbildlichungen, die man allerorts als Dekoration an den Wänden von Wartezimmern und Foyers sieht, täuschen zu leicht darüber hinweg, dass er als Künstler durchaus nicht unpolitisch war und den erlebten Zwiespalt seiner Lebenswelt selbstverständlich in der Kunst reflektierte. Um das wahre Wesen seiner Monster besser zu verstehen, sollte man zuletzt ihn selbst zu Worte kommen lassen: „Ich verstehe den Künstler als jemanden, der inmitten des Schweigens der anderen seine Stimme gebraucht, um etwas zu sagen und der die Verpflichtung hat, dass dies nicht etwas Unnützes sei, sondern etwas, das den Menschen einen Dienst erweist.“
Joan Miro - Welt der Monster (-28.01.2018)
Max Ernst Museum Brühl des LVR
Comesstraße 42 / Max-Ernst-Allee 1
50321 Brühl (Rheinland)
Tel.: +49 (0) 22 32 57 93 0
Di- So 11-18 Uhr
› www.maxernstmuseum.lvr.de




Oktober 2017
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