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Marijke van Warmerdam

Kunsthalle Düsseldorf



"Ich glaube dass sie sehr gerne die Dinge ganz platt und offen und simpel und klar zeigen will und es ist was es ist." Kees van Gelder, Galerist Marijke van Warmerdam (*1959, Nieuwer Amstel) arbeitet seit etwa 1992, dem Beginn ihrer internationalen Karriere, mit kurzen, digitalisierten 16- bzw. 35mm-Filmen und Fotografie. Zu ihrem umfangreichen Oeuvre zählen bildhauerische Arbeiten, Installationen und seit neuerem auch die Malerei auf zuvor mit Filmstills bedruckte Leinwände und spiegelnde Untergründe. Allen ihren Arbeiten, mit denen sie uns unsere Alltagsumwelt mit Humor und aus ungewöhnlichen Blickwinkeln zeigt, ist ein gewisser skulpturaler Ansatz eigen.

Links: Big bag, 1997, Computer, Motoren, Kartons, Papier 195 x 110 x 60 cm
Rechts: New balls, please!, 2014, Multikanal-Klanginstallation, 8’30”, Holz, Glas, Metall, Lautsprecher, Sound-Equipment, 19 x 2,80 x 1,35 m
Unten: Handstand, 1992, 16-mm-Filmschleife, digitalisiert, Farbe, 1’40”

2012 wählte Van Warmerdam mit dem Kurator Jan Debbaut eine Reihe von Arbeiten aus, die im Herbst 2012 unter dem Titel 'Dichtbij in de verte' im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam gezeigt wurden - van Warmerdams erste Ausstellung in den Niederlanden nach zehnjähriger Pause. Unter dem deutschen Titel 'Nahebei in der Ferne' präsentiert die Düsseldorfer Kunsthalle noch bis zum 16. März 2014 ihre bekannten Filmloops wie 'Handstand' (1992), 'Skytypers' (1997) und 'Couple' (2010) als digitalisierte Projektionen von Film sowie auch Skulpturen und jüngere auf Leinwand gedruckte, mit Acrylfarbe übermalte Filmstills.
"Die erste Arbeit das ist: Jemand steht in der Mitte, in Marrakesch auf diesem berühmten Platz inmitten eines Kreises von Menschen und die Kamera dreht sich. Also diese Person dreht sich, und man betrachtet wie mit einer Art Suchscheinwerfer diese Menschen. Die erscheinen zwar im Bild, aber im Grunde sieht man immer nur ein Fragment. Eine wahnsinnig einsamer Standpunkt, die Menschen so zu betrachten." Jan Debbaut, Kurator Beumans van Beuningen
Marijke van Warmerdam weckte erstmals internationales Interesse, als sie im Niederländischen Pavillon auf der Biennale Venedig 1995 kurze Filmloops mit nur Minuten dauernden Momentaufnahmen aus dem Leben zeigt. Indem sie diese mittels Wiederholung, Spiegelung oder Schärfenverschiebungen manipuliert, schafft die Niederländerin abstrakte Augenblicke, in denen die Zeit still zu stehen scheint.
Musik ist organisierte Zeit: In einer jüngeren Kollaboration schuf sie vier Videos zu Musik des niederländischen Komponisten Louis Andriessen, die im Teatro Elfo Puccini, Neapel, dem Teatro Palladium, Rom, dem Muziekgebouw aan 't IJ, Amsterdam und La Fabrica Galeria, Madrid gezeigt wurden.
"Mit den Loops treibe ich die Story raus." Marijke van Warmerdam über das Vermeiden einer Geschichte in ihren Arbeiten.
Die Dehnung des Augenblicks in repetitiven filmischen Prozessen und mit rotierenden Kamerafahrten steht im Mittelpunkt des Werkes von Marijke van Warmerdam - unter anderem in den 16- und 35mm Filmen wie zum Beispiel der berühmte 'Handstand' (1992) des weißgewandeten Mädchens, die Kondensstreifen der Jets in 'Skytypers' (1997), 'Le retour de chapeau´ (1998) mit dem im Wind hinwegwirbelnden Hut und 'In the distance' (2010). Freihändig Fahrrad fahren, eine herumwirbelnde Feder, Kondensstreifen am Himmel oder ein Handstand an einer weißen Mauer allesamt Alltagsthemen und meistens stumm. Marijke van Warmerdam vermeidet Geschichten, bezieht die visuelle Kraft ihrer Themen aus der Wiederholung und der Konzentration auf den immer wieder erlebbar gemachten Moment.
Skulptural und, wer weiß, mit einem Augenzwinkern in Richting Sigmar Polke kommt 'Hier gibt es höhere Wesen' daher, für das ein gülden glänzendes Pyritkristall in Muttergestein reicht. Blattvergoldet verleiht sie einer schnöden Mülltonne die Aura einer Preziose und nährt so ein namenloses Unbehagen gegenüber dem ihr zugedachten Inhalt.
So evoziert Van Warmerdams Oeuvre eine abgeklärt zenbuddhistische Anmutung, die den Betrachter schaudern macht: Du klatschst mit einer Hand, und dein Leben ist vorbeigehuscht. Vielleicht spiegelt sich in Van Warmerdams Arbeiten der pietistische Ernst der nüchternen reformierten Niederländer, für die das trostlose Erdendasein nur der beschwerliche Weg zum Paradies sein soll. "Dieses Kahlgekratzte, diese Minimale, das finde ich schon ein bisschen 'hollands'." Kees van Gelder Marijke van Warmerdam lebt und arbeitet in Amsterdam. Ausstellung und Katalog entstanden in Kooperation mit dem Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam. Marijke van Warmerdam (-16.03.2014) Kunsthalle, Grabbeplatz 4, D-40213 Düsseldorf Di-So, Feiertage 11-18 Uhr Jeden letzten Donnerstag im Monat laden die Stadtwerke Düsseldorf von 18-20 Uhr bei freiem Eintritt in die Kunsthalle und den Kunstverein ein. Eintritt 5,50 Euro, erm. 3,50 Euro Tel. +49 (0)211 8996243 mail@kunsthalle-duesseldorf.de › www.kunsthalle-duesseldorf.de



März 2014
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