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BROCKDORFF KLANG LABOR

Mädchenmusik ist größer als andere

BROCKDORFF KLANG LABOR

Just am offiziellen VÖ-Tag ihrer Debut-CD bin ich mit der neuen Leipziger Rakete in Sachen ElektroPop verabredet, um über dieses epochale Ereignis zu reden. Nancy hat mich in ihre optimal gelegene Wohnung (mitten drin und doch abseits genug, um auch mal Ruhe zu finden) eingeladen und während sie Kaffee braut, wird aus Nancy Nadja.

„Dienstlich“ tragen die drei Protagonisten nämlich wohlklingende und assoziationsreiche Namen: Sergej Klang, Ecki Eck und Nadja von Brockdorff. Alle bedienen diverse Rechner und Tasteninstrumente, Sergej und Nadja singen. Wobei gerade Herr Klang mit seinen toastings einen guten Teil der enormen Bühnenpräsenz ausmacht. Über ihn liefen bisher meine Kontakte zu dieser großartigen Band (Buttons gehören nicht mehr zu meinem Outfit, aber ein BKL-Sticker zierte nach einem umwerfenden Konzert eine ganze Weile mein Revers). Als die CD-Präsentation nahte, war es aber doch Nadja, mit der ich „offiziell“ sprechen sollte. Sofort vermutet man den bösen Einfluss der sexistisch geprägten Musikindustrie: Das niedliche Mäuschen im schicken Kleid soll bei der Journaille punkten. Nadja zerstreut derartige Verdächtigung überzeugend, allein ihre Bücherwand ist über jeden Zweifel erhaben. Da stehen die einschlägigen postmodernen Philosophen neben feministischer Literatur, auch Lyrik und Belletristik jenseits des „Medikus“ findet sich und man sieht den Büchern an, daß sie auch gelesen wurden. Später diskutier(t)en wir die „Frontfrau“-Falle ausführlicher, doch hier sollen eher die musikalischen Aussagen interessieren.

BKL entstand in der Erika-von-Brockdorff-Straße im unwirtlichen Leipziger Norden. Dort traf sich Ende der 90er in einer WG eine bunte Truppe, um - unabhängig von den zeitgleich stattfindenden Aktionen Joe Tabus in Berlin - Wohnzimmerkonzerte zu feiern.

„Es sind Leute ausgestiegen aus diesem Projekt, andere kamen hinzu. Irgendwann waren wir dann zu dritt und eine richtige Band.“

Es folgte ein längerer UK-Aufenthalt.

„Es war eigentlich Zufall, dass wir zur gleichen Zeit in England waren.“

Ausgebildeter Musiker ist keiner der Laboranten.

„Wir sind alle Seiteneinsteiger. Wir haben zwar immer sehr intensiv Musik gemacht, aber so richtig Musik- oder Kunstschule, nee. Markus kann noch am ehesten davon leben, weil er auch über Musik schreibt. Ecki hat seit einiger Zeit einen full-time-job, was ziemlich hart ist. Das ist auch der Grund, warum wir nicht zu dritt hier sitzen. Wir müssen mit Arbeitsteilung beginnen.“

Ein enger Freund des Hauses ist Jens Friebe.

„Er ist ein Freund und vielleicht sogar indirekt Förderer. Markus hatte ihn mal interviewt. Nach diesem Kennenlernen hat Jens unsere EP "Sprich Erinnerung Sprich" einigen Leuten weiterempfohlen. Wenn jemand wie Jens jemandem wie Alfred Hilsberg seine Meinung mit der CD mitgibt, dann ist das schon hilfreich. Wir haben öfter als Vorband für ihn gespielt und auch die Idee für das Stück "Mädchenmusik“ ist letztlich von ihm. Das Lied selbst ist aber eine stark bearbeitete Coverversion eines Songs der englischen Band Baxendale.“

Auch auf das funktionierende Netzwerk der Leipziger Popwelt konnten BKL sich verlassen: PM Hofmann prägt mit seinem unverwechselbaren Strich das Cover, der Pressetext stammt von Altvater Donis. Das Sozialisierungs-, Rezeptions- und Produktions-Rhizom der „Heldenstadt“ ist unterwußt noch immer DDR-geprägt. Im Falle BKL drückt sich das in Rückgriffen auf die klassische Moderne aus: Expressionistische Lyrik wie bei Laske-Schüler, das Verweben konkreter Bedeutungen mit Traumhaftem (remember Hans Arp) und musikgewordene Collagenkunst waren schon Markenzeichen der spannenderen Spielarten der Ost-Undergrounds (AG Geige!). Aber wir leben im Jahre 2007, die BKLer sind Anfang 30 und so verwundert der starke Bezug auf The Smiths (neben den dezent eingestreuten Samples bildet „Some Girls…“ einen der Höhepunkte von „Mädchenmusik“).

„The Smiths sind eine Band, die unheimlich spannend ist, inhaltlich, textlich, musikalisch. Es gibt einfach Musik, mit der man nicht unbedingt aufgewachsen sein muss, um sich davon berühren zu lassen. Wir hatten hier riesigen Spaß beim Smiths-Coverabend in Ilse's Erika und könnten sicher sofort 6, 7 Smiths-Stücke spielen.“

Das und andere wundervolle „Mädchenmusik“ kann man zur Zeit in den besseren Klubs hören: BKL sind on Tour. Don't miss it!

Aktuelles Album: Mädchenmusik (ZickZack / Indigo)


Weitere Infos: › www.brockdorff.com Foto: Martin Klindworth

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