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Miles

Nicht unterkriegen lassen!

Miles

Für gewöhnlich gibt es nur einen einzigen Weg, wie Tonträger einer deutschen (Gitarren-) Band in Japan landen: Irgendwelche Überfans, die auch im Urlaub nicht ohne die Musik ihrer Lieblinge sein können, vergessen die CDs in der Hektik bei der Abreise im Hotelzimmer in Tokyo, Osaka oder Yokohama. Dass die Silberlinge von Miles in Japan zu Tausenden kursieren, ist allerdings trotzdem nicht darauf zurückzuführen, dass die Fans der aus Würzburg stammenden und inzwischen in Berlin und München heimisch gewordenen Band allesamt schusselig sind, sondern schlicht und ergreifend daran, dass Miles „Big In Japan“ sind!

Kaum war ihre neue Single „Teenage Dreams“ im Land der aufgehenden Sonne zu haben, schoss der - in der Tat großartige - Song in die Top 5 der japanischen Airplay-Charts. Nun gut, das bedeutet nicht, dass Gitarrist/Sänger Tobias Kuhn, Gitarrist/Keyboarder Gilbert Hartsch, Drummer Ronny Rock und Neu-Bassistin Nina Kränsel nun aller Sorgen ledig sind und ihr einziges Problem ein plötzlicher Verfall des Yen-Kurses sein könnte, aber dennoch ist der Erfolg in Asien Balsam für die geschundenen Seelen der vier. Rund drei Jahre liegt die Veröffentlichung des letzten, schlicht „Miles“ betitelten Albums zurück, auf der Strecke geblieben ist seitdem nicht nur Bassist René Erdmann, sondern auch der Majorlabelvertrag mit V2 Records. Trotzdem haben Miles nie aufgegeben. „Don’t Let The Cold In“ heißt ihr neues Album. „Wir wissen alle, wie das mit deutschen Gitarrenbands ist, die bei einem Major sind. Wir kennen alle die Laufzeiten, die so etwas hat, und wissen, dass solche Bands irgendwann immer mal gedroppt werden“, sagt Tobi beim Treffen mit der Westzeit in Köln. „Die Frage ist, wie eine Band danach langfristig überleben kann. Da stehen wir nun schon mit einem gestärkten Rücken da, weil wir es geschafft haben, nach zwei Platten und der immer noch währenden Auseinandersetzung mit V2 eine neue Platte zu machen und zu sagen: Hey, wie können auch anders weitermachen. Darauf sind wir mit einem kleinen Hauch Nostalgie schon ziemlich stolz.“ Und das zu Recht. Egal, ob der zeitlos-filigrane Pop von „King Of The Bees“, der Rockstar-Freunde-Chor der hymnisch-rifflastigen Single „Stranger“ oder das epische „Magic“– auf „Don’t Let The Cold In“ ist keine Sekunde verschwendet. Nicht zuletzt auch, weil Miles die Arbeitsweise im Vergleich zu den ersten beiden Alben ziemlich umgestellt haben. Das Titelstück wurde zwar - wie bisher üblich - um einen Schlagzeug-Beat herum schichtweise aufgebaut, aber, so erinnert sich Tobi, „es gab aber auch Stücke wie ‚Teenage Dreams’, da habe ich in einer Pause im Proberaum das Riff gehabt und dazu gesungen, und auf einmal war der Song da, und in zwei Stunden haben wir das ganze Lied fertig gehabt“.
Zur Seite stand dem Quartett dieses Mal mit Jem auch ein neuer Produzent. Allerdings ist der auch kein Unbekannter, schließlich füllte er als Bassist die Lücke aus, die nach Renés Abschied und bis zu Ninas Einstieg entstanden war. Wir wollten wissen, wie und ob man Jem mit dem langjährigen Miles-Producer O.L.A.F. Opal vergleichen kann, der auch zum neuen Album noch einige Ideen beisteuerte. „Olaf nimmt schon zehn Jahre länger Platten auf und ist jemand, der immer eine Vision hat, und diese Vision muss eine Band auch teilen wollen, wenn sie mit ihm aufnimmt, weil er extrem viele Ideen hat“, erklärt Tobi. „Jem dagegen ist jemand, der eine Band auch aufnehmen kann, ohne eine solche Vision zu haben. Das sind ganz einfach zwei grundverschiedene Ansätze. Bei Jem war es so, dass er ja vorher auch noch Bass gespielt hat und von Anfang an dabei war. So hat er die gesamte Entstehungsgeschichte mitbekommen und auch, wie Nina in die Band kam.“ Dadurch wusste Jem auch von Beginn an, dass Miles nach den Erfahrungen der roten Platte gar nicht besonders scharf darauf waren, noch ein ähnliches Album zu machen, bei dem der Einfluss des Produzenten so unglaublich groß sein würde. Abgesehen davon, erzählt Nina, habe die Band auch Jems menschliche Qualitäten, bei der Arbeit in einem relativ kleinen Studio nicht die Ruhe zu verlieren und stets gute Laune zu verbreiten, sehr zu schätzen gewusst.

Noch im Mai startet die erste ausgiebige Tournee der vier seit vielen, vielen Monden. Dass gerade die neuen Stücke live ausgezeichnet funktionieren, haben Miles dagegen schon bei ausgewählten One-Off-Konzerten in den vergangenen Monaten bewiesen. Nicht zuletzt eine Folge der Produktionsweise des Albums, wie Nina weiß: „Die Liveumsetzung klappt ziemlich gut, weil alles sehr Band-mäßig ausgelegt ist. Natürlich überlegt man sich hier und da mal was Nettes für den Schluss, aber im Großen und Ganzen sind die Songs schon [für die Bühne] maßgeschneidert.“ Was nach der Konzertreise kommt, ist ungewiss. „Ich habe aufgehört, weiter als zwei Monate im Voraus zu denken“, lacht Tobi. „Ganz ernsthaft! Ich freue mich jetzt auf das Touren, und es ist aufregend zu sehen, wo die Platte überall rauskommt, aber weiter denke ich nicht. Ich mache mir noch überhaupt keine Gedanken, wie es weitergeht und wie eine neue Miles-Platte zu klingen habe. Ich denke, es stellt sich in den nächsten Monaten heraus, wozu wir Lust haben.“ Was soll uns das alles sagen? Miles sind eine der besten Bands in Deutschland. Aber das wussten wir ja schon!

Weitere Infos: › www.miles-music.com

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