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ERIK COHEN

Der Reiz der Verwandlung

ERIK COHEN

Aus Jack Letten, der Frontröhre von Smoke Blow, wird Erik Cohen. Aber nix da aus Saulus wird Paulus – der Herr ist und bleibt einfach ein Rockmusikliebhaber, der seine Leidenschaft pflegt und mit seinem neuen Alter Ego schlicht und ergreifend traditionell zu Werke geht: So trifft klassisches Hardrock-Riffing auf deutsche Sprache und ein Mann auf einen neuen Horizont für seine musikalischen Ideen.

„Als Songwriter von Smoke Blow habe ich nach meinem Empfinden die Grenzen des für die Band darstellbaren einigermaßen ausgelotet. Wir haben uns im zur Verfügung stehenden musikalischen Rahmen ziemlich ausgetobt. Als Liedschreiber muss es für mich nun auf neuen Ebenen weiter gehen,“ berichtet der Kieler, der sich auch bewusst für die deutsche Sprache entschieden hat.

„Ich finde es ungemein schwierig, in deutscher Sprache so etwas wie Flow zu entwickeln und vermeintlich hölzerne Worte oder Sätze am Ende einigermaßen geschmeidig zu machen. Auch oder gerade, was Rockmusik betrifft. Ich mag neue Herausforderungen und wollte mich ernsthaft probieren.“

Erste Gehversuche auf Deutsch standen zeitweise auch schon bei Smoke Blow auf dem Programm. Sein Engagement bei Genepool war ebenfalls eine Möglichkeit, neue Dinge auszuprobieren und sich möglichst nicht zu wiederholen.

„Erik Cohen geht ein paar Schritte weiter, im Rahmen des Songwritingprozesses habe ich mir keinerlei Grenzen mehr gesetzt. Ich wollte alles zulassen, was im Dienste des jeweiligen Songs steht. Die Lieder sollten unmittelbar aufgehen, zumal ich ein Faible für geschmackvollen Pop habe.“

Der Titel ´Nostalgie für die Zukunft´ strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Ein Klassiker in mehrerlei Hinsicht?

„Es ist eher so, dass ich damit zum Ausdruck bringen wollte, dass ich einen bestimmten musikalischen Vibe vergangener Tage in die Jetztzeit transportieren möchte, ohne dabei zu klingen wie ein mit 'ner Flohmarkt-Wühlkiste entflohener Kopist. Das Album ist ja durchaus mit einigen Querverweisen versehen, beispielsweise die offensichtliche The Cult-Love-Ära-Gitarren-Hommage. Eine etwas in Vergessenheit geratene Brillanz der Rockhistorie, ebenso wie z.B. die gelungene Melange aus New Wave, Rock und Pop, wie sie seinerzeit die Cars perfektionierten – Hybride der Musikgeschichte. ´Nostalgie Für Die Zukunft´ ist mein Versuch, aus unterschiedlichen Stilmitteln ein stimmiges musikalisches Ganzes in Verbindung mit deutscher Sprache zu kreieren.“

Unterm Strich schwingt auf dem Album viel Melancholie mit.

„Grundsätzlich hatte ich schon immer einen Hang zu so etwas wie dynamischer Melancholie. Ich bin ein großer Fan von dunkel gefärbten Popentwürfen, siehe exemplarisch z.B. die alten Misfits. Das schimmerte ja bereits im Rahmen von Smoke Blow oder bei Genepool durch. Hier wird es noch etwas offensichtlicher, was eventuell auch ein wenig am Gebrauch der Muttersprache liegen mag.“

Wie fanden die maritimen Metaphern ihren Weg aufs Album?

„Es ist eindeutig, dass meine natürliche Umgebung einen Einfluss auf die Textideen hatte. Das ergab sich wie von selbst. Manchmal saß ich z.B. mit 'ner Gitarre oder einem textlichen Rohbau bewaffnet auf der Kanal-Fähre und habe an Songs gedoktert. Nicht selten schippert man fast allein auf dem Ding und hat seine Ruhe. Zudem kostet die Überfahrt nichts. Wenn ich mit 'nem Kaffee in der Faust aus dem Fenster schaue und Zeilen oder Melodiebögen hin und her bewege, sehe ich ebenfalls aufs Wasser. Ich hab tatsächlich 'ne gut gelegene Küche mit Förde-Blick. Das hat sicherlich Wirkung gezeigt!“

Überhaupt klingen die Songs von Erik Cohen sehr lebendig, stimmlich und textlich markant, verdammt ehrlich und im besten Sinne eigenwillig. Klar, dass das vielen SmokeBlow-Jüngern gefällt. Was ist darüber hinaus möglich?

„Das ist schwer zu sagen. Ich habe mit Erik Cohen umgesetzt, was mir persönlich wichtig ist, wenn ich an ein gelungenes Rockalbum denke. Ich habe versucht - Querverweisen zum Trotz - eigenständig zu klingen, abwechslungsreich zu bleiben und einen roten Klangfaden dabei möglichst nicht zu verlieren. Ich wollte ein durchgehend hittiges Debüt abliefern, bei dem man hoffentlich merkt, dass da eine Leidenschaft für aufgehende Songs drin steckt, mit denen ich mich gerade auch auf der Bühne extrem wohl fühle. Auf alles weitere habe ich keinen Einfluss. Ich wünsche mir natürlich, dass sich das Album oft genug verkauft, um auf dem eingeschlagenen DIY-Weg weitere Platten machen und Touren spielen zu dürfen.“

Wegen uns: Gerne!

Aktuelles Album: Nostalgie für die Zukunft (RYL NKR / Rough Trade)

Foto: Erik Weiss

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