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PAUL BANKS

Endlich zu sich selbst gefunden

PAUL BANKS

Seinen Status als einer berühmtesten Bandchefs der Indiewelt kann Paul Banks niemand mehr streitig machen – sollte man glauben und doch brauchte der Interpol-Chef ein zweites Soloalbum, um zu erkennen, wer er abseits der hauptberuflichen Laufbahn eigentlich ist: Schlicht und zugleich vielsagend ´Banks´ betitelt, zeigt der neue Longplayer wo er anno 2012 steht und das man sich aus rein künstlerischer Sicht keine Sorgen um ihn machen muss. „Ich wollte nicht länger zweifeln. Und die neuen Tracks beginnen dort, wo sie aufhören – bei mir“, verkündet Banks und weiß, wie viel Arbeit ihm diese Einsicht kostete.

Interpol haben wilde Jahre hinter sich. Nach dem Ausstieg ihres amtlichen Kreativdirektors Carlos „D“ Dengler mussten die Zurückgeblieben vor zwei Jahren das letzte Album allein zu Ende bringen und erstaunlicherweise gelang dies ohne große Ausfälle – manche sprachen gar vom besten Album in der bisherigen Karriere der Band.

„Ich habe viel von ihm gelernt und wusste nach seinem Abschied, welche Schritte als nächstes nötig sind“, erinnert sich Paul Banks heute an die Zeit und scheint mit sich und seiner Combo vollkommen im Reinen: „Das war anfänglich schwer, aber da es Interpol nie um einen bestimmten Stil ging, probierten wir Neues aus.“

Etwas Altbewährtes versuchte er zuletzt ebenso umzusetzen: Den zweiten Soloausflug auf Albumlänge, der mit ´Banks´ nun endlich die Vollendung findet.

Sogleich ein Ausdruck des neu gewonnen Selbstvertrauens ist, hat sich Banks dieses Mal keinen Künstlernamen ausgedacht, um die Platte zu veröffentlichen.

„Es hatte damals viel mit den Songs selbst zu tun, dass ich sie als Julian Plenti herausgab. Viele von ihnen waren Jahre alt und stammten aus einer Zeit, in der von irgendwelchen Karrieren nicht zu träumen war. Zudem fand ich es spannend, mich als Unbekannter unter die Leute zu mischen.“

Freilich dauerte es keine zwei Lieder und man erkannte sofort, wer sich hinter Julian Plenti versteckte: Paul Banks. Dessen tiefe Zuneigung zur Melancholie seit jeher ein Markenzeichen seines Songwriting ist und längst den hauseigenen Schreibstil definiert. Selbst wenn er darauf angesprochen, skeptisch wirkt:

„Andere sagen, New York sei das Thema schlechthin und ich kann dem nur entgegenhalten: Die neuen Tracks entstanden weit davon entfernt. Natürlich bewege ich mich in New York viel und erlebe einiges. Aber das hat nicht immer gleich was mit der Stadt selbst zu tun.“

Am Strand in Europa, in den Wälder Amerikas und zig anderen Orten sei ´Banks´ entstanden und keine Mühen waren dem Macher zu groß, um sich vollkommen frei zu fühlen. Wie er es ausdrückt und damit gleich die wichtigste Zutat aufzählt, die für das zweite Album nötig war:

Freiheit nämlich, so Banks. Das habe er als unverzichtbares Element für seinen Job erkennen können und so lasse er die Musik für sich selbst entscheiden, in welche Richtung es gehen soll – „Inhalte und Texte ergeben sich durch Stimmungen ganz automatisch. Fast wie von selbst, möchte ich sagen.“

Im Endeffekt bedeutet es, dass ´Banks´ sich erneut im grauen Moll präsentiert, Indierock vermengt und weich gezeichnete Arrangements darüberlegt. Melancholisch ja, depressiv aber nie, zeigt die Platte im Vergleich zum Solodebüt mehr Licht am Ende des Tunnels:

„Viele beschreiben mich in Artikeln immer als mysteriöse Person und irgendwann glaubst du den Kram auch. Allerdings bin ich nicht undurchschaubar oder schwierig gestrickt: Sondern einfach ein sensitiver Typ, der nicht auf den Tisch haut und ‚Basta‘ sagt, sondern die Dinge auf ihren Gehalt abwiegt.“

Weswegen man auf der kommenden Tour von Banks noch lange keine Interpol-Beiträge erwarten darf – ´never ever´ sollen diese ohne Band aufgeführt werden und allein die Tracks seiner zwei Soloalben werden die Set-List bestimmen.

Apropos, wie steht es eigentlich mit den Kollegen aktuell und gibt es Pläne für neues Material?

„Da kann ich nichts Konkretes verkünden. Lange Zeit wäre so eine offene Situation nicht mein Fall gewesen. Heute geht es mir erstaunlich gut damit, einfach zu sagen: Die Zukunft wird es zeigen.“

Manchmal kann so ein Alleingang Berge versetzen – Paul Banks weiß das inzwischen.

Aktuelles Album: Banks (Matador / Beggars / Indigo)

Foto: Helena Christensen

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