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PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB

Die Angst vor dem Ruhm

PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB

Phillip Boa gilt als einer der unkonventionellsten Indie-Helden der deutschen Musiklandschaft und hat selten gemacht, was ihm gesagt wurde. Mit seiner Ex-Frau und Muse Pia Lund raffte er sich für das neue Album „Loyalty“ einmal mehr zusammen und herausgekommen ist ein Werk über Beistand und Zugehörigkeitsgefühl – welches vieles von dem erklärt, was seinen Status als Musiker ausmacht: Denn selbstverständlich ist der ‚German Lord of Indiecult‘ mit allen Wassern gewaschen und lässt keine Möglichkeit ungenutzt, seine Meinung – zur Not mit Nachdruck – durchzusetzen.

Die letzten Jahre haben ihn entspannter werden lassen. Überhastete Anrufe bei Plattenfirmen oder Verbalschläge gegen Kritiker gehören der Vergangenheit an, Phillip Boa ruht in der Außendarstellung wie ein Buddhist in sich und konzentriert sich lieber auf das, was ihm am wichtigsten ist: Die eigene Musik.

„Ganz so ausgeglichen bin ich natürlich nicht“, rudert er im Gespräch zurück, „es gibt schon noch Momente, in denen mir mein Equipment egal ist und es zu Bruch gehen kann – nur um für meine Laune ein Ventil zu sein.“

Boa lächelt selten, doch in solchen Momenten umso vielsagender und weiß, dass Anfang der Neunziger die Medienpräsenz derart hoch war, dass kaum eine seiner Kurzschlussreaktionen im Verborgenen blieb – teilweise, so erklärt er, habe ihm das Angst gemacht und stark verunsichert: „Als beispielsweise die Bravo eine Home-Story anfragte und sogar durchzog.“

„Die haben wir ein bisschen auflaufen lassen“, grinst er, „den Redakteur bestellte ich in unser damaliges Studio und baute eine Stunde vor seiner Ankunft die obere Etage um – so dass das Ganze aussah, als wäre es eine Wohnung. Vollkommener Blödsinn natürlich, denn dort übernachteten wir nicht ein einziges Mal.“

Es war alles in allem eine Zeit, in der Phillip Boa einen gewissen Popstar-Status innehatte und alles tat, um demgegenüber so alternativ und eigen wie nur irgend möglich rüberzukommen: „Der Gedanke gefiel mir halt nicht: Was soll ich denn in den Charts, schoss mir damals durch den Kopf und keine vernünftige Antwort fiel mir ein.“

Solche Probleme hat er inzwischen nicht mehr: Die Schreiber der Bravo sind weitergezogen, haben Justin Bieber und Selena Gomez ins Herz geschlossen und Boa sitz derweil vor einem Stillen Wasser und freut sich über ´Loyalty´, sein neues Album mit dem Voodooclub und Ex-Frau und Muse Pia Lund.

„Man darf nicht vergessen: Pia war eine halbe Ewigkeit nicht mit uns unterwegs, kehrte vor ein paar Jahren zurück und wenn mich heute jemand fragt, ob sie bei der nächsten Platte dabei sein wird, kann ich nur antworten: Keine Ahnung, aber sie würde es vermissen, obwohl sie es nie zugeben könnte.“

Vergleichsweise verwunderlich in diesem Zusammenhang, ´Loyalty´ besitzt mit Beiträgen wie ´Til The Day We Are Both Forgotten´ oder ´You Are Beautiful And Strange´ waschechte Liebeslieder – solche, die nicht nur durch die Blume ihre Inhalte verraten, sondern offensiv und ehrlich von einem Zusammengehörigkeitsgefühl berichten, dass alles andere als konstruiert wirkt.

Musikalisch hingegen ist sich der Verweigerer treu geblieben und präsentiert Indierock und Pop-Balladen, die so nur ihm gelingen – eine Nische hat er längst für sich beansprucht und liefert den Soundtrack hierzu einmal mehr. Inklusive einer Gelassenheit, die fast schon überrascht, scheint der Druck vollkommen von ihm abgefallen.

„Früher habe ich Mastertapes einfach gelöscht und bei null angefangen – mache ich manchmal immer noch. Es hat sich generell nicht viel in meiner Arbeitsweise verändert: Die Technik ist ähnlich, nur die Leute sind neu und wenn ich mich über etwas wirklich freue, dann über die aktuelle Besetzung des Voodooclubs.“

Phillip Boa ist eben nicht nur der wagemutige Einzelkämpfer, sondern holt sich die Hilfe anderer gerne herbei und hat nicht die schlechtesten Berater am Start: Das Wort Alterswerk möchte man ungern in den Mund nehmen, aber ein ebensolches ist ´Loyalty´mit Bravour geworden.

Unkonventionell und gern in sich ruhend, wie der Chef selbst.

Aktuelles Album: Loyalty (Cargo Records)



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