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ALT-J

Kein Genre - keine Schubladen

ALT-J

Was verbirgt sich hinter dem Tastenbefehl „alt+J” der Rechnertastur? Wer auf einer englischen Mac-Tastatur diese Tastenkombination drückt, der erhält ein kleines Dreieck: ∆ –Fachbegriff „Delta.” Es ist aber nicht nur eine dieser schnöden Tastenbefehle. Es ist auch der Name einer Band aus dem englischen Leeds, die eigentlich Films heißen soll, aber es gibt rechtliche Probleme. Beim gemeinsamen Studieren an der dortigen Universität lernte sich das Quartett, bestehend aus Gwil Sainsbury an Gitarre und Bass; Joe Newman, der auch Gitarre spielt und singt; Gus Unger-Hamilton an den Keyboards und Thom Green am Schlagzeug, kennen. Bis auf den Keyboarder, der Englische Literatur studiert, haben alle einen Abschluss in Bildender Kunst im Blick.

Kein konkreter Plan

Zwei mal wöchentlich treffen sich die Vier, um im Schlafzimmer von Gwil Sainsbury, um wild an Tönen zu schrauben.

„Wir wollten einfach gemeinsam rumhängen und coole Klangwelten durchreisen oder erschaffen“, erzählt Gwilym Sainsbury, „den Gedanken, eine Band zu formieren hatten wir erst überhaupt nicht.“

Wer keinen konkreten Plan verfolgt und sich von den reinen Tönen faszinieren lässt, der muss sich auch nicht mit Genregrenzen oder kreativem Schubladendenken auseinandersetzen. Der kann wildern. In Soul- oder in Folkgefilden. Da werden Rocknotenbestände genauso geplündert, wie die des Hip Hop. Zu vielfältig sind die musikalischen Wurzeln von alt-J. Da fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass der Trommler ohne Becken spielt.

„Das war zunächst lediglich dem Umstand geschuldet, dass bei mir im Schlafzimmer für die Becken schlichtweg kein Platz mehr war“, lacht Gwilym Sainsbury, „zum kreativen Stilmittel wurde es erst später.“

Die jungen Studenten hatten selbst nach dem Interesse einer Plattenfirma zweieinhalb Jahre Zeit, um sowohl ihre Studien zu beenden, als auch frei von Druck ihre Debüt-Platte „an awesome wave“ einzuspielen. Eine erste Single namens ´Bloodflood/Tessellate´ bei Loud And Quiet Recording ist inzwischen hoffnungslos vergriffen.



Kein ganzes Lied

„Das angesprochene Zeitfenster wurde auch gebraucht, weil wir keine lose Ansammlung von Stücken zusammenschustern wollten“, erläutert Gwilym Sainsbury, „wir hatten eine echtes Album vor, wo jedes Lied nur diesen eine Platz haben kann und niemals eine andere Position in der Abfolge einnehmen könnte. Wer es Konzeptalbum nennen will, dem widersprechen wir nicht.“

Jedes einzelne Stück wird randvoll mit Lautstärke und Stille aufgefüllt. Ein Widerspruch? Aber überhaupt nicht. Nicht jedenfalls, wenn Lieder so unorthodox entstehen, wie bei alt-J.

„Wir planen die Musik nicht, die Stücke passieren uns und wir hören ihnen sehr genau zu. Wenn eine Note nach Lautstärke schreit, kriegt es diese“, führt Gwilym Sainsbury, weiter aus, „und wenn die darauf folgende Note liegengelassen werden will, dann tun wir das eben und es wird still. Manche unserer Lieder, würden andere als halbe oder Rumpflieder bezeichnen. Für uns sind es ganze Stücke.“

Etwas ganz Aufregendes findet sich noch auf dem Album „an awesome wave“, drei Interludien, das sind instrumentale Zwischenspiele.

„Auch sie schenken Raum“, gibt Gwilym Sainsbury zu Protokoll, „Raum, der gebraucht wir, um den Kopf für die nächsten Stücke frei zu machen, um auch diese in ihrer ganzen Kraft und Schönheit genießen zu können.“



Keine Schwere

In der von alt-J geschaffenen musikalischen Welt, sind die Töne voller Zauber und magisch aufgeladen: die mehrstimmigen Gesänge, die fragilen leicht holpernden Rhythmen, die perlend, klimpernden Tastenklänge, der reduzierten, manches Mal verdrehten Gitarrenriffs, der wummernde Bass und darüber oder darin verstrickt der Falsettgesang von Joe Newman. Die Stücke des Vierers aus Leeds sind wie eine grellbunte Wundertüte, in der eine Überraschung von der nächsten gejagt wird. Und man als Hörer aus dem Erstaunen nicht mehr herauskommt. alt-J schaffen es mit einer Mühelosigkeit und Leichtigkeit die unterschiedlichsten Stilrichtungen zu einem Mosaik aus Einzigartigkeit zu vereinen. Dabei gerät nichts sperrig, beliebig oder gekünstelt. Jedes einzelne Stück aus diesem Klangteppich schmiegt sich an die Gehörgänge. Und die halten es mit der Musik von alt-J, wie der kleine Häwelmann, der da lauthals schrie: „Mehr, mehr!“

Aktuelles Album: An Awesome Wave (Infectious Music/PIAS)

Foto: Danny Payne

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