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SEBEL

Das proletarisch-poetische Zechenkind

SEBEL

Es gibt Currywurst Schranke, also rot-weiß. Es gibt die Klümpchenbude, Brieftaubenzüchter oder Gelsenkirchener Barock. Und den Ruhrpott-Slang. Altbackene Pott-Klischees? Vielleicht. Aber ein Handschlag ist hier deutlich fester. Auch schon mal hart am Rande der Schmerzgrenze. Die Mäuler werden hier auch weiter aufgerissen als sonst wo. Die Zechenkinder sind eben ein wenig derber. Ein wenig ehrlicher und direkter. Aber mögen sie einen, ist die Weggefährtenschaft treuer. Jetzt hat auch die Musik ein solches Zechenkind: Sebel.

Nicht nur lautes Gepolter

Der Mann aus Wanne-Eickel frönt nicht nur dem Draufgängerrock, er lebt ihn. Seine handfesten Texte sind kein Kalkül. Er ist so.

„Zu Hause und im Kreis der Kumpels, da herrscht eben ein rauer Ton“, erzählt Sebel frei von der Leber weg, „wir sind halt ein wenig assig und prollig drauf. So sind dann auch meine Lieder. Ich schreibe halt gerade raus und singe, wie ich denke und dann klingt es halt so.“

Da erklingen dann schon mal Lieder mit Titeln wie, ´Wer soll das alles ficken!?´ oder ´Scheiss auf die Disco.´ Dreiste Texte? Sebel lacht lauthals: ´

„Dreist? Vielleicht, aber nie stumpf, immer voller Selbstironie und mit großen Augenzwinkern; denn so sind die Geschichten aus dem Pott.“

Sebel gibt seinen Liedern den Refrain, den die gesamte Zuhörerschaft mitgrölen kann, genau so, wie er ihnen nachdenklichen Zeilen in die Hirnwindungen wirft. In Sebels Liedern da steckt mehr drin. Auf den ersten Blick ist Sebel der ungestüme Pott-Prolet und auf den zweiten der einfühlsame Pott-Poet. Der neben und zwischen dem raubeinigen Gepolter auch die leisen Töne trifft. Und die genau so nachhaltig.



Liebe und Hass

Sebel schreibt schubweise, dann aber gleich ganze Berge von Liedern.

„Bevor ich schreibe, muss etwas in meinem Leben etwas passiert sein“, erklärt er, „eine Wende, ein Einschnitt. Dann muss ich hinsetzen, meist jedoch mit einem Monat Verzögerung und schreibe mir das Erlebte von der Seele.“ So gab es ihn also wirklich, den besagten Discobesuch in Sebels Stammladen.

„Wo du jeden Samstag versuchst, ein Mädchen klar zu machen“, plaudert Sebel aus dem berühmten Nähkästchen, „doch wie immer sind die hübschesten Frauen mit irgendwelchen Vollpfosten auf der Tanzfläche. Schließlich gehst du frühmorgens wieder alleine nach Hause und scheißt auf die Disco.“

Doch Sebel jammert nicht rum, wie die derzeit angesagten Jammerpoeten mit ihren langen Bärten und den unsäglichen Holzfällerhemden. Er legt den Hass genau so in die Stücke, wie die Liebe. Den dreckigen Rock’n’Roll ebenso wie den puren Sex. Das kann in dieser Formvollendung eben nur ein Zechenkind. Und eins ist zudem sicher, das Discoerlebnis hat Sebel zwar abgeschreckt, doch nur bis zum nächsten Samstag. Dann wird er wieder auflaufen.

Aktuelles Album: Scheiss auf die Disco (BMG/Rough Trade)



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