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GRAHAM COXON

Der stille Klangzauberer

GRAHAM COXON

Im Pop gibt es immer die Lauten, die Schreihälse. Die, die im Vorgrund stehen und die, die stets die ganz große Geste im Repertoire haben. Geborene Frontleute eben. Dann gibt es die Stillen und Leisen, die sofort zurück in Schatten der Bühne treten, wenn das grelle Licht des Verfolgers, auf der Suche nach dem Frontmann, sie auch nur zufällig treffen könnte. Zu letzteren gehört zweifelsohne der 42-jährige Graham Coxon, der mit dem Einsatz seiner Gitarre Blur immer davor bewahrt hat, vom Bombast gefressen zu werden.

Vor zehn Jahren ist er Blurmüde geworden. Auf dem Album ´Think Tank´ ist er nur mehr auf zwei Stücken mit von der Partie. In der Zwischenzeit hat Graham Coxon mal eben sieben Alben veröffentlicht. Die diesjährige Veröffentlichung ´A+E´ ist seine achte. Dabei spielt er alle Instrumente selber und zeichnet für sämtliche Texte verantwortlich.



Des Gitarrespielens müde

Jedes seiner vorangegangenen Alben untermauerte seinen Ruf als außergewöhnlichen Gitarristen weiter. Nicht nur bei den Plattenkäufern, sondern auch bei den Kollegen. So hat ihn Noel Gallagher einmal als den begabtesten Gitarristen seiner Generation bezeichnet, während Radioheads Jonny Greenwood „prinzipiell alles gut findet, was Graham spielt.” Im letzten Jahr benannte Fender sogar ein Gitarrenmodell nach ihm – die Fender Graham Coxon Telecaster. Und auf seinem aktuellen Album ´A+E´ legt er die Gitarre beiseite und komponiert mit dem Bass.

„Ich war es einfach müde, Gitarre zu spielen“, stellt er zunächst lakonisch fest und pausiert, um dann doch fortzufahren, „ich wollte zunächst nur alles auf Rhythmen und Riffs reduzieren und merkte dann, was für ein probates Melodieinstrument der Viersaiter sein kann.“

Beim Arbeiten an diesen Stücken setzt Graham Coxon ganz auf das improvisatorische Moment. Obwohl er sicherlich kein Frischling mehr ist, weiß er nach all den Jahren immer noch nicht, wie er genau zu den Liedern findet.

„Sie kommen immer aus dem Nichts“, reflektiert er, „plötzlich sind sie da. Du musst sie nur hören. Im diesem Moment darfst du bloß nicht von Selbstbewusstsein strotzen. Du musst einfach zulassen können. Der Zweifler hört dabei mehr, genau so, wie derjenige, der sich beim Lauschen eine kindliche Neugier bewahrt hat.“



Zweifelndes Spielkind

Wenn das so ist, dann waren Graham Coxon beim Arbeiten an der Platte ´A+E´, was übrigens Accident and Emergency heißt und vergleichbar der deutschen Notaufnahme ist, voll von Zweifeln und seine kindliche Neugier war riesengroß. Lange nicht mehr hat er so ungeniert mit Harmonien und Rhythmen gespielt, um schließlich auch den Hörer in seine Zweifel mit einzubeziehen. Manches Mal scheint Graham Coxon auch an seinem Zweifel zu zweifeln, so singt er im Stück ´What’ll It Take´ immer und immer wieder die Textzeile ´I don’t really know what’s wrong with me.´ Aber da kann man ihn beruhigen. Alles ist gut! Solange es ihm -wie auf ´A+E´- gelingt, die Stücke in einer Art zu präsentieren, als hätte er sie alle lediglich zu seiner eigenen Unterhaltung eingespielt und dann im Rohzustand liegen lassen.

„So ähnlich ist es auch gewesen“, lacht er, „mit dieser Haltung sind wir dann auch zum endgültigen Aufnehmen ins Studio gegangen und haben die Regeln der Studioarbeit außer Kraft gesetzt und von jedem Stück, dass uns nicht zumindest im Ansatz schmunzeln ließ, haben wir uns verabschiedet.“

Doch was bedeutet das, die Regeln der Studioarbeit außer Kraft setzen? „Ganz einfach“, lacht Graham Coxon, „wir haben uns von der vornehmen Note, die man sonst eher sucht, verabschiedet. Mehrere Mikrofone sind mitgelaufen, Nebengeräusche, die sonst stören, wurden mit aufgenommen. Und das alles wurde zusätzlich durch alte Technik, mit viel Persönlichkeit, gejagt. Technik, die an einem Tag anders funktionierte, als am Tag zuvor.“

Hätte es je eines Beweises bedurft, das stille Wasser tief sind, so wäre Graham Coxons Platte ´A+E´ der beste Klangbeweis. Denn wer sonst, wenn nicht ein stilles Wasser, würde sich trauen, Lieder auf ein Album zu packen, die pervers, traurig, tanzbar, lustig und mutlos sind und dabei alle Geschichten, die eine Notaufnahme in der Klinik anzubieten hat in Zeit-raffer und in Zeitlupe gleichzeitig zu erzählen. So bleibt alles schön mehrdeutig, nicht ausformuliert und lässt richtig viel Platz für den Hörer, zu den Stücken eine eigene Haltung zu entwicklen.

Aktuelles Album: A+E (Parlophone / EMI Music)



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