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ZPYZ

Großer rauschhafter Pop

ZPYZ

So richtige Jungspunde sind sie nicht mehr, die Zwei von ZPYZ. Durch Remixe für Mando Diao, Polarkreis 18 und Rosenstolz machten sie auf sich aufmerksam. Eine goldene Schallplatte gab es für die Mitproduktion der Casting-Truppe US5. Aber auch an eigenen Kompositionen wurde gewerkelt. Immer und immer wieder. Da sammelt sich sukzessive ordentlich was an. Schließlich teilen die beiden Berliner ihre Musikleidenschaft seit dem zarten Alter von vierzehn Jahren. Es ist musikalische Liebe vom ersten gemeinsamen Ton an. Irgendwann müssen die gesammelten Werke dann raus. Wollen auf Platte gepresst werden. Und sei es nur, um ein Kapitel abzuschließen und den musikalischen Blick wieder eindeutig nach vorn zu richten.

Vom Hip Hop-Götzen zum Pop-Gott

Deshalb ist das vorgelegte Erstlingswerk von ZPYZ weitgehend eine Bestandsaufnahme obwohl der Plattentitel „2080“ weit in die Zukunft weist. So ist auch der erste Eindruck falsch, nämlich der, die beiden Musiker könnten sich wohl stilistisch nicht entscheiden:

„In unterschiedlichen Schaffensperioden hatte sich einfach was angesammelt“, erklärt Locke, der zu keiner weiteren Namensangabe bereit ist, „wir waren schon mal so weit, ein Album zu veröffentlichen. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Und doch wollten wir das Material nicht einfach so wegwerfen. Und die fortschreitende Zeit bringt es andererseits mit sich, dass man sich weiter entwickelt. Auch diese Entwicklung wollten wir nicht verleugnen. Also geht es auf der Platte wild hin und her.“

Wo zunächst noch der Hip Hop formend war, werden jetzt dem großen Pop-Gott die Opfer dargebracht. „Die drei Stücke „Slide Back“, „Cut It“ und „Fever“ liefern ein beredtes Zeugnis unserer Bezüge zum Hip Hop“, verdeutlicht Iwan, der auch über keinen Nachnamen zu verfügen scheint. Das Stück „Walking Alone“ huldigt groß angelegt dem Poplied. Da wird sich geradezu rauschhaft hinein gesteigert. Doch auch im Rausch wissen ZPYZ exakt, was sie tun.

„Großer Pop bleibt unwiderruflich im Ohr kleben und wird dort langfristig sesshaft“, deutet Locke die Sterne am Pophimmel, „großer Pop weiß, was er tut und klingt trotzdem so als wäre nichts geplant.“ Dann wird auf der CD ordentlich hammerhart elektrogefrickelt, um anschließend pfeifend wieder ein Ohrwurmliedchen vorzutragen, wie etwa „She’s A Dealer“, die aktuelle Single der Band. Und urplötzlich befinden sich ZPYZ mitten im Fahrwasser von Earth, Wind & Fire.



Keine Kopie von nichts

ZPYZ kopieren aber nie und das was zunächst als roter Faden erscheint, ist nichts anderes, als eine Zündschnur, die immer dann explodiert, wenn der Hörer sich im Lied häuslich einzurichten beginnt. Das Spannende dabei sind die jeweils zusätzlich ausgeteilten Tritte gegen das Schienbein des überall lauernden Klischees. Einmal auf dem Poptrip und mit der Erfahrung von ZPYZ im Rücken wird es scheinbar ganz einfach.

„Du entwickelst unweigerlich ein Gespür für Melodien, für Spannungsbögen“, weiß Iwan, „dabei musst du dich sich selbst öffnen. Dann spürst du, wenn Liedelemente dich innerlich erreichen. Wenn du dann endgültig eine Gänsehaut beim Komponieren kriegst, dann weißt du, das musst du jetzt fertigmachen.“ An die Gänsehaut der Komponisten schließt sich die des Hörers nahtlos an, wenn ZPYZ ihre Kunst ganz ungeniert zwischen Elektro, Rock, Glam und Pop pendeln lassen. Der so geschaffene Hörraum ist unvergleichlich und einzigartig. Der Inhalt eines Überraschungs-Eis ist dagegen absolut vorhersehbar. Die elektronischen Spielereien finden auf so hohem Niveau statt, dass jedes Stück aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht zaubert. ZPYZ legen mit „2080“ eins der abwechslungsreichsten Alben seit langem auf die Theke des Plattenladens.



Große Unterhaltung

Doch was im Verfahren des Aufeinanderschichtens und des Ineinanderverwebens im Kreuzberger Hinterhofstudio von den beiden ZPYZ’lern zu Liedern zusammengezimmert wurde, das soll seinen Weg natürlich auch auf die Bühnenbretter der Klubs finden. Dazu muss umgedacht werden.

„Wir werden ganz sicher nicht der normale Elektroact sein v“ skizziert Locke den Entwurf für die Bühne, „wir hängen nicht sklavisch hinter unseren Rechnern. Wir wollen nicht nur das große Popstück, wir wollen auch die große Unterhaltung. Die Leute wollen, das auf der Bühne wieder was passiert, wo es sich nicht nur lohnt hinzuhören. Nein, es muss sich auch lohnen hinzuschauen.“

Aus Zwei mach Drei, manchmal auch Vier. Das ist die Liveformel von ZPYZ. Neben Locke und Iwan an Rechnern, Gitarre und Gesang wird es einen Live-Schlagzeuger geben: „So wird die Klangfarbe menschlicher“, ist sich Iwan gewiss, „und wenn die Zeit reif ist, wird auch eine Bassistin mit von der Partie sein.“

Aktuelles Album: 2080 (ZPYZ Records/DEAG/Warner)

Foto: Christoph Schemel


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