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MIA.

Jenseits von Gut und Böse

MIA.

"Ich schüre Wut auf allen Seiten, ich will, dass sich die Lager spalten, allright!" Vielleicht hätte ich mir die Texte von Mia. vor dem Interview genauer anhören sollen, dann hätte ich mich auf die Situation, die mich dort erwartete, entsprechend vorbereiten können. Wer vermutet schon, dass eine Sängerin mit dem klanghaften Namen "Mieze" weniger anschmiegsam als vielmehr kratzbürstig und angriffslustig ist? Schon nach wenigen Sekunden merke ich, dass das hier kein angenehmer Plausch wird, denn auf meinem Merkzettel stehen offensichtlich nicht die richtigen Fragen, Blicke sagen mehr als Worte.

Von ihrer Vorabsingle "Alles neu" inspiriert, der man, bei allem Respekt, eine Ähnlichkeit zu Ideal nicht absprechen kann, frage ich nach Mia.´s Verhältnis zur Neuen Deutschen Welle und zum 80er Revival. Die Antwort ist deutlich: "Wir haben jetzt 2002 und wann war die Neue Deutsche Welle? Wir legen uns nicht fest, auf die Musik, die wir jetzt machen, haben wir jetzt Lust, und das kann in fünf Jahren Samba und im Jahr drauf machen wir griechischen Sirtaki." Auch mit dem musikalischen Berlin-Boom, der sich auch über die Landesgrenzen ausbreitet, wollen sie nichts zu tun haben. Den Begriff "Sound of Berlin" hören sie aus meinem Mund scheinbar das erste Mal und amüsieren sich prächtig. "Wir sind eine Band aus Berlin, wir wohnen hier und hier machen wir unsere Musik. Hier ist unser Umfeld und hier arbeiten wir. Vielleicht sind die Leute in anderen Städten nicht so experimentierfreudig wie hier. Der Berlin-Boom ist wohl etwas, was durch die Medien hochgespielt wird, eine Sache von außen. Das ist nichts, worauf wir abzielen." Naja, ich dachte ja nur, weil auf Postern, Platten und sogar auf Miezes Kleid der Berliner Bär prangt. Seit ihrer Gründung 1997 haben Mia. ihren Stil fast komplett gewandelt, vom damaligen englischsprachigen Mellow-Listening-Sound zum heutigen deutsch/englischen Elektropunk. Wie kams? "Ich bin ja aus Deutschland und Deutsch ist meine Muttersprache und damit kann ich sehr direkt sein. Ich will direkt direkt sein. Am Englischen reizt mich die Symbolik mehr, man kann mehr mit Bildern spielen." Diese Direktheit schlägt sich in ihren Texten nahezu wütend nieder. "Es geht darum, sich die Meinung zu sagen und nicht vor Empfindlichkeiten zurückzuschrecken. Wenn man z.B. durch die Straßen rennt, guckt einen keiner an und deu denkst: `Hallo, Menschen, Kontakt!´ Es geht darum, zu dem zu stehen, was man tut und das zu machen, was man machen will." Außerdem ließe sich Wut besonders live gut umsetzen. "Wut ist ja nicht nur sauer sein, sondern auch ein Sich-Austoben,was auf der Bühne passiert. Wut ist etwas, was wir musikalisch und textlich nach außen transportieren wollen. Quasi ein musikalische Motiv, daran kann man sich als Musiker am besten auslassen."

Soweit so gut. In einem Anflug von Wahnsinn frage ich, ob Mia. feministisch sind, worauf sich Miezes Stimme unüberhörbar anhebt. "Wir haben jetzt 2002 und da gibt’s so was wie schwarz und weiß und Mann und Frau doch gar nicht mehr. Hätt ja sein können, dass wir jetzt voll den feministischen Plan haben, wa? Nee, danke!" In gewissen Momenten weiß man, wann man gehen sollte, nicht nur, wenn´s am schönsten ist. Nachdem ich das Gebäude verlassen habe, beschließe ich, dass ich Mia. nicht mag und diese Einstellung jedem aufzuzwängen.

Zwei Tage später stehe ich vor der Bühne des Melt!-Festivals. Mia. fangen an zu spielen. Ich und meine Zeltnachbarn versuchen uns so uninteressiert zu geben, wie möglich. Und dann kommt die Sache mit dem "Lager spalten": nach fünf Minuten hüpfen wir alle im Takt mit. Wahrscheinlich bin ich zu empfindlich. Die Musik macht den Ton. Und böse ist dann plötzlich doch irgendwie gut.

Aktuelles Album "Hieb & Stichfest" (R.O.T./Columbia) VÖ: 05.08.



Weitere Infos: › www.miarockt.de Foto: Label

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