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CSS

Frische Fliege

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Es ist viel passiert, seitdem diese Band erstmals in aller Munde war. Ihr Debüt kam 2006 via Sub Pop und war damit das erste und nach wie vor auch erste Release einer südamerikanischen Band auf jenem legendären Label. Nun legen Cansei De Ser Sexy, kurz CSS, ihr zweites Album vor und beweisen im Zuge dessen, dass sie mehr als eine Eintagsfliege aus dem brasilianischen Kunst-Untergrund sind.

Dafür, dass das damalige halbe Dutzend BrasilianerInnen vor fünf Jahren nach eigenen Angaben kaum ein Instrument richtig beherrschte, fand ihr folgendes Debüt eine erstaunlich große Liebhaberschar. Zwar sprach man schnell von einer brasilianischen Pop-Fliege, die zwischen Elektro, Rock und dem guten alten Style der 80er-Jahre einen kurzzeitigen Glückstreffer gelandet hatte, aber die Welt war insgesamt entzückt. Diese Eintagsfliege hatte sich damals ohne große Pläne aus dem Kunst- und Proberaum São Paulos aufgemacht und düst seitdem um den gesamten Globus. Und nun sind die ehemalige Filmstudentin Ana und die Designerin Carolina - mittlerweile an Gitarre, Keyboard und ein paar Schlagwerkzeugen etwas sicherer und versierter - mit ihrer Band auf Promotour durch Europa. Der Grund: Album Nummer 2, das selbstredend einiges beweisen muss.

Ana und Carolina antworten an dem ersten Sonntagsinterview oft unisono. Hin und wieder hakeln sie gegenseitig in den Antworten der anderen herum, dann geht es drunter und drüber. Links fängt die Antwort an und rechts geht es plötzlich ganz woanders weiter, bis von links wieder dazwischen gegrätscht wird. Die beiden reden fast so, wie ihre letzten zweieinhalb Jahre verlaufen sind, denn CSS sind ein von Null auf Hundert durchs Highlife geschossenes heißes Ding.

„Ja, es passierte in der Tat alles sehr schnell. Und das fühlt sich manchmal auch noch echt seltsam an“, gesteht Ana. „Um zu realisieren, was hier mit uns passiert ist und weiterhin passiert, braucht man etwas Zeit, Ruhe und Abstand. All das hatten wir noch gar nicht richtig, weil wir seitdem so viel unterwegs waren.“

Keine Zeit zu haben, hat in derartigen Fällen nicht selten zwei Konsequenzen: Man muss sich um die nervigen Angelegenheiten des Lebens, wie zum Beispiel einen leidigen Nine-To-Five-Job, nicht mehr zu kümmern, denn das ehemalige Hobby bringt schließlich den Schotter ein. Auf der anderen Seite bleibt aber auch keine Zeit, um den anderen schönen Dingen des Lebens und seinen alten Passionen zu frönen. Auch Ana und Carol mussten einiges davon aufgeben. Neben dem fast täglichen Hin- und Hergedüse blieb keine freie Minute, um wie früher mal ein Bild zu malen, eine Grafik zu designen oder ein Kleidungsstück zu entwerfen.

„Wir versuchen nun im Kosmos unserer Band weiterhin auf solchen Baustellen aktiv zu bleiben, indem wir uns um unsere Plattencover, die Tourplakate oder unser Shirtdesign kümmern. Aber mehr Zeit für andere Dinge neben der Musik bleibt da einfach nicht mehr.“

Will sich da jemand beklagen? Nein, Ana und Carol wollen sich nicht beschweren, denn schließlich hat diese Zeitknappheit ihren guten Grund: CSS ist heißer Scheiß und weltweit gefragt – selbst zum zweiten Album.

Jene Sachen, die Ana, Carol & Co heute nicht mehr machen können, waren früher ihre Dayjobs, die sie mehr schlecht als recht in Brasilien über Wasser hielten. Ira, die ehemalige Bassistin des früheren Sextetts, entschied sich kurz vor den Aufnahmen zum neuen Album zurück zum Tagesgeschäft zu gehen und die Band zu verlassen. Also ging es zu fünft und laut Carolina auch „mit frischem Wind“ für knapp drei Monate ins Studio nach Brasilien. Adriano, der ehemalige Kunststudent und einzige Mann im CSS-Haus, hat das neue Album „Donkey“ produziert.

„Wir kennen das gar nicht anders“, lacht Ana. „Und außerdem weiß ich auch nicht, ob wir auf anderem Wege mit einem fremden Produzenten arbeiten könnten. Wir sind keine guten Musiker, sondern nehmen lieber in einer Art Familiensituation auf.“

Trotzdem ist das neue Album aber im Gegensatz zum Debüt grundlegend anders geworden. Weil die Damen und ihr Herr bereits auf Tour gemeinsam begannen, an den Songs zu schreiben und sich als Team einspielten.

„Beim ersten Album haben wir zuvor gar nicht viel gespielt. Erst danach ging es ja richtig los. Das neue Album ist vielmehr ein Bandalbum, als das zuvor.“

Mit diesem von Carolina beschriebenen und von der Band neu entdeckten Gefühl gingen CSS unbefangen und unverschult wie immer ins Studio. Von einer brasilianischen Eintagsfliege kann also keine Rede mehr sein.

Aktuelles Album: Donkey (Sub Pop / Cargo)



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