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PERNICE BROTHERS

Zurück zur menschlichen Note

PERNICE BROTHERS

Dass es nirgends eine Band gibt, der es besser gelingt, dem glorreichen Radio-Pop der 60s und 70s den eigenen Stempel aufzudrücken und Acts wie The Beach Boys, Big Star oder auch Elvis Costello nicht nur zu imitieren, sondern aus der Vorliebe für diese Künstler einen eigenen Sound zu entwickeln, als die Pernice Brothers, dürfte nach fünf - nicht zuletzt an dieser Stelle - hochgelobten Alben hinlänglich bekannt sein. Dass die Band noch einmal eine Platte wie ihr sensationell-zeitloses Debütalbum "Overcome By Happiness" aus dem Jahre 1998 machen würde, schien dagegen unwahrscheinlich. Bis jetzt.

Für "Live A Little" kehrte Mastermind Joe Pernice nicht nur ins Studio .45 im verschneiten Connecticut zurück, wo auch schon der PB-Erstling eingespielt wurde, nein, auch Produzent Michael Deming war zum ersten Mal seit acht Jahren mit dabei und verlieh der Band endlich wieder den einschmeichelnden, mit Orgeln, Streichern und Hörnern veredelten Sound, den vor allem das letztjährige "Dis cover A Lovelier You" etwas hatte vermissen lassen.

"Ich mag diese letzte Platte sehr, aber ich würde auch sagen, dass wir darauf einen bestimmten Pfad weiterverfolgt hatten, der dort aber zu Ende war", erklärt er im WESTZEIT-Interview. "Ich möchte die Platte nicht schlecht machen, aber vielleicht ist uns das letzte Album etwas entglitten. Deshalb war es mir bei der neuen Platte besonders wichtig, dass die Performances der Musiker mehr im Mittelpunkt stehen. Für 'Discover A Lovelier You' hatten wir viel am Rechner zusammengestückelt, die Songs wurden nicht von vorne bis hinten von der Band durchgespielt. Deshalb klingt die Platte bisweilen ein wenig steif. Das war damals zwar genau der Sound, der uns vorschwebte, die neuen Songs hingegen brauchten im besonderen Maße die menschliche Note."

Die Rückbesinnung auf alte Werte vollzog sich allerdings eher schleichend.

"Es war nicht so, dass ich direkt nach der letzten Platte beschlossen hätte, jetzt einen anderen Weg einzuschlagen", erinnert sich Pernice. "Ich habe mich einfach hingesetzt und habe Songs geschrieben, und erst als sie fertig waren, kristallisierte sich heraus, dass sie sich besser anfühlen und anhören würden, wenn die He-rangehensweise eine andere wäre. Wenn ich Songs schreibe, fange ich eigentlich nie mit dem Text an. Mir fällt eine Melodie ein, ich finde ein paar Akkordfolgen auf der Gitarre, und danach fallen mir einzelne Textzeilen einfach in den Schoß. Über diesen Prozess habe ich nicht besonders viel Kontrolle. Ich habe Einfluss auf das Editieren und Überarbeiten, nicht aber auf die ursprüngliche Textidee."

Die Herangehensweise an das Songwriting mag sich für Pernice über die Jahre nicht grundlegend geändert haben, doch nicht nur, weil die Band inzwischen auf wichtigen Positionen umbesetzt ist - zum ersten Mal fehlt auf "Live A Little" Thom Monahan, seit den Tagen des PB-Vorläufers Scud Mountain Boys ständiger Partner von Pernice im Studio -, will der Vordenker der Band aus Massachusetts die Aufnahmen von "Overcome By Happiness" und "Live A Little" trotz der musikalischen Parallelen nicht vergleichen:

"Nur eines war unverändert: Es machte eine Menge Freude, Michael Deming in der Nähe zu haben. Die Aufnahmen zu 'Live A Little' waren vor allem deshalb nicht mit 'Overcome By Happiness' zu vergleichen, weil es dieses Mal viel entspannter zuging. Heute habe ich ja mein eigenes Label und kann tun und lassen, was ich will, aber damals habe ich die Platte für Sub Pop gemacht, und auf gewisse Weise musst du natürlich darauf achten, dass das Label zufrieden ist. Vor allem, weil ich zuvor gerade die Scud Mountain Boys verlassen hatte, was viele damals für einen Fehler hielten, weil die Band gerade anfing, in Amerika erste Erfolge zu erzielen. Das schwirrte mir damals schon im Kopf herum, dieses Mal dachte ich mir nur: 'Was soll's, lasst uns einfach so viel Spaß wie möglich haben!'"

Und weil man das "Live A Little" anhört, ist das Album ohne Frage eine der musikalisch einfallsreichsten und echtesten sowie textlich scharfzüngigsten und geistreichsten Platten des Jahres.

Aktuelles Album: Live A Little (One Little Indian/RoughTrade)


Weitere Infos: › www.pernicebrothers.com Foto: -

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