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PLACEBO

The PLACE to BO

PLACEBO

Meine Vorfreude auf eine neue Placebo-Platte war seit meinem letzten Zusammentreffen mit dieser Band ganz schön abgeschwächt. Ich würde sogar fast sagen, dass sie mir komplett am Arsch vorbeigegangen wäre, hätte ich nicht das Angebot bekommen diesen Artikel über eine Band zu schreiben, die viele Parallelen zu meiner eigenen Band aufweisen kann. Es fängt schon mit dem Gründungsjahr an. Die Band gibt es nunmehr seit 10 Jahren und 4 Platten. Platte Nummer 4 heisst „Sleeping With Ghosts“ und ist auf den ersten Hördurchgang eine typische Placebo-Platte. Wäre da nicht der Anfangstrack „Bulletproof Cupid“, welcher ganz und gar ohne Gesang auskommt. Und das finde ich am Anfang schonmal überraschend und gelungen.

Endlich mehrmals durch das Album gekämpft und festgestellt, dass es diese kleinen subtilen Überraschungen sind, die der Platte Ihre Berechtigung geben und sie wachsen lassen. Man hat gänzlich auf unpassende Rap- und Beateinlagen verzichtet und trotzdem die Moderne mit uralten 80´s-Synthiesounds eingebracht. Es wird sowieso oft deutlich, dass Placebo wahre 80´s Kids sind. Mittlerweile sind ja auch alle schon über 30 und wirken recht ruhig. Man glaubt es kaum, aber Herr Molko gab mir sogar den elterlichen Ratschlag, mit dem Schnaps um die Mittagszeit aufzuhören. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Ist es doch derselbe Mensch, der mich noch vor einem Jahr mit einem Stuhl bewaffnet und einem ungeheuerlichen Alkoholpegel zur Strecke bringen wollte. Aber das sind alte Geschichten und man begegnet sich dann doch wieder mit menschlichen Respekt. Die Band wirkte beim Interview extrem entspannt und man hatte sofort das Gefühl, dass sie Ihre neue Platte wirklich mögen, und überhaupt scheint ein gutes Bandgefühl zu herrschen, was man nach so langer Zeit nicht wirklich erwarten kann. Wenn man bedenkt, dass Jim Abbis die Platte produziert hat, hätte man doch mit viel mehr Elektronik und Beats gerechnet, da dieser bekannt für seine Arbeiten mit DJ Shadow, Björk oder auch Kylie Minogue ist.PLACEBO Es wird auch schnell klar, warum die Wahl auf diesen Herrn gefallen ist. Die komplette Mannschaft steht auf dessen Sound. Auf die Frage hin, warum es dann doch eine Rockplatte geworden ist, antwortet man gelassen, dass es sich bei Placebo ja wohl um eine reine Rockband handelt und, das nach den Experimenten auf „Black Market Music“ dann doch wieder Einsicht eingekehrt ist. Was mich überrascht hat, war der exquisite Musikgeschmack des Drummers Steve Hewitt. In gewisser Weise hat er mich an Guido Lucas erinnert, der ähnlich wie Steve über seine Platten redet, als ob es sich um wunderschöne Frauen handelt. Vielleicht habe ich einen falschen Eindruck bekommen, aber an diesem Morgen hatte ich das Gefühl, dass nicht Herr Molko die Diva in der Band ist, sondern Bassist Stefan Olsdal. Nicht nur, dass er einem das Gefühl gab, dass er keine Lust auf ein Interview hat (was absolut ok ist); sondern auch das Rumzicken, als der mich begleitende Fotograf der Westzeit ein Gruppenfoto schiessen wollte, bestätigten meine Annahme, dass der Herr ganz schön schwierig sein kann. Und das war eine Premiere. Der erste Bassist mit Allüren, den ich getroffen habe. Im Nachhinein habe ich der Band leider genau die Fragen gestellt, die ich selbst immer gestellt bekomme, und ich bin mittlerweile überzeugt davon, dass es
keinen Arsch interessiert, unter welchen Bedingungen die Platte entstanden ist und was sie aussagen soll. Da Placebo immer recht offensichtlich handeln, waren die Antworten auf meine Fragen auch schon längst auf der Platte beantwortet. Es geht ums älter und weiser werden. Desweiteren um die poetische Auslegung des Verlassenwerdens und, um es auf den Punkt zu bringen: Es geht um Aufarbeitung. Der eine drückt es in Texten und Musik aus, der andere pflügt den Acker. Zwei, drei Wochen später spielt die Band Ihr einziges Deutschland-Konzert im ausverkauften Kölner E-Werk. Es ist wie die Platte. Das, was man erwartet, aber gespickt mit kleinen Überraschungen. Das Beste hatten sie sich auch bis zum Schluss aufbewahrt: Eine wirklich gelungene Coverversion von den Pixies. „Where Is My Mind“? Das Publikum war dankbar, alle Medienvertreter betrunken und die Plattenfirmenangestellten zufrieden. Es darf gefeiert werden. Hurra!

Aktuelles Album: Sleeping with Ghosts (Virgin)

Weitere Infos: › www.placeboworld.co.uk Foto: JB Mondino/KaMü

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