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KIND KAPUTT

Vom Glücklichsein in der Dystopie

KIND KAPUTT

Es ist ein Bollwerk aus Soundwänden; Bass, Geschrei, Melodien. Kind Kaputt aus Leipzig und Nürnberg nahmen sich für ihr Debütalbum Großes vor und haben Großes vollbracht. Sie schlagen ein, tun weh, bringen manchmal zur Verzweiflung und begeistern die gesamte Zeit. ´Zerfall´ ist ein Album, nach deren Anhören man sein gesamtes Leben hinterfragt. Es beinhaltet ein großes Konzept um einen namenlosen Protagonisten, dessen Coming of Age-Geschichte ganz und gar nicht einzigartig ist. Man kann sich mit ihm identifizieren – und genau das tut so weh.

Gleich das Erstlingswerk so akribisch und umfangreich aufzubauen zeugt davon, wie ernst es das Vierergespann meint.

„Ich habe damals mein Studium unterbrochen, um mich komplett aufs Schreiben konzentrieren zu können“, so Sänger /Gitarrist Johannes Prautzsch. „Wir schlossen uns ein halbes Jahr lang regelmäßig mehrere Wochen am Stück im Proberaum ein und schrieben die Songs. Unser Ziel war es, mit unserem ersten Album etwas zu schaffen, das auch als großes Ganzes wirken kann, und nicht nur als die Summe seiner Einzelteile.“

Ein richtiges Album eben, nicht bloß eine Ansammlung willkürlicher Songs.

Auf ´Zerfall´ werden Kind Kaputt ihrem Namen treu. Da kreieren sie schon einen Protagonisten und dann scheinen sie ihm kaum Glück im Leben zu wünschen. Immer wieder bringen sie ihn an den Rand der Verzweiflung, werfen ihn der Frustration zum Fraß vor, lassen ihn leiden.

„Wir wollten, dass das Album eine Art Sog entwickelt und man beim Durchhören der Songs in eine düstere Welt abtauchen kann“.

„Wir sind keine überzeugten Pessimisten und sehen die Welt auch nicht durchweg negativ. Allerdings kennen wir diese Gefühle sehr gut. Wir wollten, dass das Album musikalisch die Stimmung der Texte aufgreift und am Ende so klingt, wie sich das alles für uns anfühlt. Mein Antrieb, Texte zu schreiben, ist über das zu sprechen, was mich stört beziehungsweise zerstört.“

In gewissen Punkten sei der Protagonist des Albums also auch ein Spiegelbild ihrer Selbst.

„Natürlich ist er und sein Weg eine sehr abstrahierte und metaphonische Darstellung. Aber die Fragen und Ängste, die ihn beschäftigen, sind auch Themen, mit denen wir persönlich kämpfen. Während des Schreibens habe ich immer wieder tief in mich selbst geschaut, um zu verstehen, woher diese Ängste eigentlich kommen und wie sie entstanden sind.“

Es ist die Kombination aus Gesellschaftlichem, Politischem und den inneren Konflikten, die man mit sich herumschleppt und nie so richtig verstehen kann. Kind Kaputt bringen das zur Sprache, was eine ganze Generation zu zerfressen vermag. Scharf und pointiert. Schmerzhaft – und doch, irgendwie auch tröstend. Man ist eben doch nicht so allein wie man dachte.

„Wir versuchen, mit unseren Texten einen Mehrwert zu bieten, der die Menschen dazu inspiriert, ihre gesellschaftspolitische Haltung zu überdenken. Wir nutzen unsere Plattform auch, um unsere Fans auf bestimmte Aktionen und Initiativen aufmerksam zu machen, die unserer Meinung nach Unterstützung verdienen, zum Beispiel ´Viva con Agua´ und ´Pfand gehört daneben´.“

Auf ´Zerfall´ zeichnen die jungen Männer eine gar nicht so unwahrscheinliche Dystopie, doch in der Realität versuchen sie, die Welt freundlicher zu gestalten. Man philosophiert über die Kraft und den Schmerz der Existenz und grübelt über den Schlüssel zum Glücklichsein.

„Ich glaube, es gibt kein wirkliches Ankommen“, bedenkt Prautzsch. „Man denkt sich immer wieder: ´Wenn ich das erreicht, oder jenes erst geschafft habe, dann ist alles gut´. Aber danach gibt es wieder das Nächste, und wieder das Nächste. Man hastet immer weiter von einem Punkt zum nächsten und findet so nie die Ruhe und Zufriedenheit, die das Ankommen impliziert. Wenn ich aber akzeptiere, dass ich dieses Gefühl von Ankommen niemals so richtig erreichen kann, dann hilft mir das dabei, auch an dem Punkt, wo ich momentan stehe, ein Stückchen zufriedener zu sein.“

Aktuelles Album: Zerfall (Uncle M / Cargo Records) Vö: 22.03.




März 2019
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