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THE HORRORS

Entwicklung durch Erfahrung

THE HORRORS

Das englische Seebad Southend-on-Sea ist nun wirklich nicht der Nabel der englischen Musikwelt. Für The Horrors jedoch schon. Schließlich stammen sie von dort. Zwei Alben haben sie seit ihrer Gründung im Jahre 2005 vorgelegt: ´Strange House´ mit dem ohrenaufregenden Garage-Trash-Stück ´Sheena Is a Parasite´ und ´Primary Colours´, darauf das knapp achtminütige ´Sea Within a Sea´. Eine wogende Dröhnorgie angefüttert mit kurzen Ausflügen in krautrockinfizierten Post-Punk.

Etwas mehr, als zwei lange Jahre lassen sie verstreichen, bevor sie mit „Skying“ im Juli ihr drittes Werk vorlegen. Zwischendrin hat The Horrors-Frontmann Faris Badwan noch schnell mit der klassisch orientierten Multiinstrumentalistin Rachel Zeffira „Cat's Eyes“ gegründet. Im Frühjahr wird auch noch die gleichnamige CD veröffentlicht. Konzerte gibt er mit „Cat's Eyes“ auch noch bis in den August hinein.



Keine Spur von Elektroklängen

Das wirft Fragen auf. Beispielsweise nach der Vereinbarkeit beider Projekte.

„Da ‚Cat's Eyes’ kein Nebenprojekt ist, kann ich es gleichzeitig zu The Horrors umsetzen. Es ist etwas komplett Anderes“, bügelt Faris Badwan die Frage ab und blickt der nächsten zum neuen The Horrors-Album entgegen. Da die Band nicht unbedingt für ihre stilistische Konstanz bekannt ist, verwundert es nicht, dass sich die älteren Etiketten zur Kennzeichnung der aktuellen Klänge als untauglich erweisen.

„Die Leute wissen bei uns nie, was sie mit der nächsten Platte an Musik offeriert bekommen“, lacht er, „und wir werden sie auch in Zukunft raten lasen, was da denn wohl an Noten aufmarschiert.“

Auf ´Skying´ ist deutlich mehr Elektronik zu vernehmen, als auf ´Primary Colours.´ An dieser Feststellung hat auch Faris Badwan nichts zu mäkeln:

„Ja, wir haben viele Synthesizer genutzt. Es ist dadurch fast ein wenig tranceorientiert geraten.“

Doch bedeutet das nicht, dass The Horrors auf Elektropfaden wandeln. Dagegen verwehrt sich der The Horrors-Sänger auch ganz massiv:

„Bloß, weil wir elektronisch angehauchte Stücke vorlegen, ist ‚Skying’ doch kein Elektroalbum geworden. Es ist voller Ausdruck. Voller Emotion. Voller Wärme. Von der Kühle und Kalkuliertheit von Elektroklängen ist auf der ganzen Platte keine Spur zu finden.“

Wo er Recht hat er Recht. Und es fällt beim Hören der zehn Stücke nicht schwer, nachzuvollziehen, dass The Horrors wohl einer Menge an warmen Noten elektronischer Stücke der letzten 40 Jahre gelauscht haben. Tears For Fears, David Bowies Elektro-Phase gehören genau so dazu wie etwa Simple Minds. Besonders ohrenfällig wird dies bei den Lieder ´You Said´ oder ´I Can See Through You.´



Kontinuierlich kreativ

Die neuen The Horrors-Lieder, die im bandeigenen Studio im Londoner Stadtteil Dalston produziert wird, sind auch deutlich komplexer und vertrackter, als die bisherigen.

„Was ist daran verwunderlich?“, fragt Faris Badwan, „je mehr Stücke du schreibst, desto besser wirst du. Zwangsläufig. Das ist doch eine ganz natürlich Entwicklung. Selbst beinharte Drei-Akkord-Punkbands sind in ihren späteren Zeiten bessere Musiker gewesen, als zu Beginn. Und wer sich nicht kontinuierlich kreativ weiter entwickelt, der bleibt künstlerisch stehen. Will das wirklich jemand?“

Natürlich nicht! Sie machen wirklich unbändigen Spaß, die kreativen Spielereien von The Horrors. Teils wabert der Klang verschwommen und die Stimme ist ins Irgendwo im Nirgendwo entrückt. Die klänge werden von Sekunde zu Sekunde undurchsichtiger, um anschließend zu einem klar umrissenen und strukturierten Popklassiker zu mutieren. The Horrors schrecken auch abgebremsten Dub-Bläser-Attacken, wie im Stück ´Endless Blue´ nicht zurück, bevor von jetzt auf gleich das Geschwindigkeits-Gaspedal ordentlich durchtreten.

„Ich erinnere mich, dass wir dieses Stück an einem Montag geschrieben haben, das mag die bedächtige Einleitung erklären“, grinst Faris Badwan, „je weiter der Tag voranschritt, desto mehr hatten wir von unseren Wochenend-Blues abgeschüttelt und wir waren wieder in der Lage, schneller und schneller zu spielen.“

Auch hat erneut ein extralanges Stück seinen Weg auf die CD gefunden: ´Moving Further Away.´ Mit einer Länge von acht Minuten und 43 Sekunden übertrifft es sogar ´Sea Within a Sea´, welches auf der letzten Platte zu finden war. ´Moving Further Away´ beruft sich auf Can in ihren optimistischsten Zeiten und verbindet diese mit The Human Leagues melancholischster Schaffensperiode. Was in allen Stücken, ganz gleich welches Genrehopping sie betreiben, in gleichem Maße innewohnt, ist eine brachiale Energie, die geradezu nach einer Live-Präsentation schreit.

Aktuelles Album: Skying (XL Recordings/Beggars/Indigo)

Foto: Neil Krug

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